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Die Erbrechtsreform im Überblick

Es folgt ein kurzer Überblick über das Gesetzgebungsverfahren und die zentralen Regelungen der Erbrechtsreform, die zum 01.01.2010 in Kraft getreten ist. Dieser soll grundrißartig darüber informieren, welche Bereiche des Erbrechts betroffen waren und was sich geändert hat. Eine intensive Auseinandersetzung mit den neuen Vorschriften kann er jedoch nicht ersetzen.

Inhalt:

  1. Gesetzgebungsverfahren zur Erbrechtsreform
  2. Kernpunkte der Erbrechtsreform
    1. Verjährung erbrechtlicher Ansprüche
    2. Reform des Pflichtteilsrechts
    3. Ausgleich für Pflegeleistungen
    4. Pflichtteilsergänzungsanspruch bei lebzeitigen Schenkungen

1. Gesetzgebungsverfahren zur Erbrechtsreform

Am 02.07.2009 hatte der Bundestag das Reformgesetz zur Änderung des Erbrechts beschlossen, der die Zustimmung des Bundesrates am 18.09.2009 folgte. Damit konnte die lange erwartete Erbrechtsreform mit Wirkung ab 01.01.2010 in Kraft treten. Die geänderten Regelungen im Erbrecht gelten für alle Erbfälle ab dem 1.1.2010, auch wenn sie an Sachverhalte aus der Zeit vor dem 01.01.2010 anknüpfen.

2. Kernpunkte der Erbrechtsreform

Die wesentlichen Änderungen des Erbrechts betreffen

a) Verjährung erbrechtlicher Ansprüche

Seit 01.01.2010 verjähren nun auch erbrechtliche Ansprüche

  • bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Gläubigers
  • hinsichtlich der anspruchsbegründenden Umstände und
  • der Person des Schuldners

in 3 Jahren. Ausgenommen sind insbesondere der

  • Erbschaftsanspruch und der
  • Anspruch des Nacherben gegen den Vorerben auf Herausgabe der Erbschaft,

die gem. §§ 2018 Abs. 2, 2130 Abs. 3 i.V.m. § 200 BGB weiterhin nach 30 Jahren verjähren.

Beginn der Verjährung

In der Praxis beginnt die Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt (oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste). Eine kenntnisunabhängige Verjährung tritt sozusagen als Höchstgrenze nach 30 Jahren ab Entstehung des Anspruchs.

Hemmung der Verjährung infolge von Verhandlungen

Zu beachten ist die Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen gem. § 203  BGB, die insbesondere im Bereich des Pflichtteilsrechts sehr oft auftreten.

b) Reform des Pflichtteilsrechts

Die Reform des Pflichtteilsrechts erfolgte nur punktuell und betrifft zunächst die Erweiterung der Stundungsmöglichkeiten des Pflichtteilsanspruchs, der – wie bisher – grundsätzlich sofort fällig ist. Mit Wirkung ab 01.01.2010 ist für eine Stundung des Pflichtteilsanspruchs nur noch eine „unbillige Härte“ für den Schuldner Voraussetzung.

Darüber hinaus wurden die Tatbestände für den Entzug des Pflichtteils erweitert. Mit Wirkung ab 01.01.2010 liegt auch ein Enterbungsgrund vor, wenn ein Pflichtteilsberechtigter nahe stehenden Personen des Erblassers (z.B. Lebenspartner, Pflege- oder Stiefkinder) nach dem Leben trachtet oder sie körperlich schwer misshandelt.

c) Ausgleich für Pflegeleistungen

Die Berücksichtigungen von Pflegeleistungen gegenüber den Eltern oder Großeltern ist ein wichtiger Baustein der Erbrechtsreform. Die Erweiterung des Anspruchs auf Geld aus dem Nachlass ist eine gesetzgeberische Honorierung der Pflegeleistungen unter nahen Angehörigen. Bislang hatten nur pflegende Kinder einen Anspruch auf Geld aus dem Erbe, wenn ein bisher ausgeübter Beruf in der ursprünglichen Form aufgegeben wurde. Die große Zahl der pflegenden Hausfrauen ging daher leer aus. Mit Wirkung ab 01.01.2010 sieht das neue Erbrecht vor, dass jeder gesetzliche Erbe einen Ausgleich für erbrachte Pflegeleistungen fordern kann.

d) Pflichtteilsergänzungsanspruch bei lebzeitigen Schenkungen

Einer der wesentlichen Kritikpunkte am Pflichtteilsergänzungsanspruch war die starre Regelung der 10-Jahres Frist und die Tatsache, dass diese Frist bei Ehegatten überhaupt nicht zur Anwendung kam. In der Praxis höchst unübersichtlich war darüber hinaus die Frage, wann eine Leistung im Sinne des § 2325 Abs. 3 BGB – also eine lebzeitige Schenkung – vorlag und wann die 10-Jahresfrist in Gang gesetzt wurde.

Die lebzeitige Übertragung größerer Vermögenswerte ist vor dem Hintergrund der geänderten Bewertungsvorschriften im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsssteuer damit noch attraktiver geworden. Eine große Unsicherheit waren die schwebenden Pflichtteilsergänzungsansprüche, die beim Erbfall innerhalb der folgenden 10 Jahre seit Schenkung eine Teilhabe der Pflichtteilsberechtigten am Nachlass sicherstellen sollten. Durch den Pflichtteilsergänzungsanspruch wurde der Pflichtteilsberechtigte so gestellt, als ob die Schenkung nicht erfolgt und damit das Vermögen des Erblassers durch die Schenkung nicht verringert worden wäre.

Der Gesetzgeber reagierte mit der Erbrechtsreform auf die Kritik und führte ein sog. Abschmelzungsmodell mit einer gleitenden Ausschlussfrist ein. Es ist nun geregelt, dass die Schenkung bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs „pro rata temporis“ immer weniger Berücksichtigung findet.

Beispiel:

Eine Schenkung im 1. Jahr vor dem Erbfall wird dem Nachlass noch voll hinzugerechnet, eine Schenkung im 2. Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im 3. Jahr zu 8/10 usw. Sind seit der Schenkung 10 Jahre und mehr verstrichen, bleibt die Schenkung wie bisher völlig unberücksichtigt und wird dem Nachlass nicht mehr hinzugerechnet.

Bei Schenkungen unter Ehegatten beginnt die 10-Jahres Frist – und damit auch die Abschmelzung – erst mit Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Tod.

Zu beachten ist jedoch weiterhin, dass die Ausschlußfrist erst mit vollständiger Ausgliederung des Gegenstandes aus dem Vermögen des Erblassers beginnt. Grundstücksübertragungen unter Vorbehalt des Nießbrauchs oder Rücktritts sind also nach wie äußerst problematisch.

Die Erbrechtsreform im Überblick

One thought on “Die Erbrechtsreform im Überblick

  • Na prima, dann kann ja ein Erbschleicher nun Jahr für Jahr damit rechnen, dass selbst der Pflichtteil-Anspruch des Bruders immer weniger wird und somit nach 5 Jahren schon zur Hälfte – der Hälfte – der Hälfte reduziert wurde.

    Da lohnt sich ein Prozess wohl kaum, vor allem, wenn der Beklagte zahlungsunfähig ist.

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