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Positive Fortführungsprognose

Die positive Fortführungsprognose erlangt zentrale Bedeutung bei der Prüfung, ob der Geschäftsführer einer bilanziell überschuldeten GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen muss oder nicht.

Insolvenzantragspflicht

Die Geschäftsführer einer GmbH sind gem. § 15a InsO verpflichtet, im Falle der

  • Zahlungsunfähigkeit oder
  • Überschuldung

der Gesellschaft beim zuständigen Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Dies muss unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geschehen. Versäumen oder verzögern die Geschäftsführer den Insolvenzantrag, können daraus zivilrechtliche und strafrechtliche Haftungsrisiken entstehen.

Überschuldung der GmbH

Zunächst ist klarzustellen, dass die bilanzielle Überschuldung einer GmbH nicht automatisch zu einer Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne führt. Vielmehr ist die Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne gem. § 19 Abs. 2 InsO zweistufig aufgebaut, wobei dieser zweistufige Aufbau über den 31.12.2013 hinaus unbefristet gilt. Hiernach liegt eine Überschuldung vor,

  1. wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn,
  2. die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (= positive Fortführungsprognose).

Im Unterschied zur früheren Regelung des § 19 Abs. 2 InsO hat die Bedeutung der positiven Fortführungsprognose deutlich zugenommen, weil die Geschäftsführer einer rechnerisch überschuldeten GmbH auf die Aufstellung einer Überschuldungsbilanz verzichten können, sofern für die Gesellschaft eine positive Fortführungsprognose besteht.

Positive Fortführungsprognose

Angesichts dieser hohen Bedeutung der positiven Fortführungsprognose stellt sich jedoch die Frage, wer eine solche Prüfung vornehmen kann und nach welchen Kriterien diese erfolgen muss. In dieser Hinsicht hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 14. Mai 2007 (Az. II ZR 48/06) folgende Ausführungen gemacht:

Von dem organschaftlichen Vertreter wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit. Er handelt daher fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die für die Insolvenzantragspflicht erforderlichen Kenntnisse verschafft (Schmidt-Leithoff aaO Rdn. 19). Dabei muss sich der organschaftliche Vertreter, sollte er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügen, ggf. extern beraten lassen (BGHZ 126, 181, 199, dort zur Prüfung der positiven Fortführungsprognose; OLG Düsseldorf NZG 1999, 944, 946 zur Feststellung der Überschuldung; Hefermehl/Spindler aaO; Mertens in Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. § 93 Rdn. 99; Hopt in Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. § 73 Rdn. 255 m.w.Nachw.; Wiesner in MünchHdb.d.GesR, Bd. 4 2. Aufl. § 26 Rdn. 7 m.w.Nachw.). Dafür reicht selbstverständlich eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt.

Bei einem Start-Up-Unternehmen wie der Schuldnerin, das in der Anlaufphase in aller Regel nur Schulden produziert und – wie hier – von Förderdarlehen abhängig ist, ist eine ständige, intensive Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens in besonderem Maße erforderlich. Dem genügend hat der Beklagte nach Aufstellung des Jahresabschlusses im August 2001 und Aufdeckung einer bilanziellen Überschuldung im Zusammenwirken mit dem Aufsichtsrat unverzüglich einem Wirtschaftsprüfer den Auftrag erteilt, den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2000 daraufhin zu überprüfen, ob die Gesellschaft nicht nur rechnerisch überschuldet, sondern insolvenzreif war und ein Insolvenzantrag gestellt werden musste. Die Sachkompetenz und Fachkunde eines Wirtschaftsprüfers für eine solche Prüfung steht außer Frage. Dass es sich bei dem Gutachten um ein Gefälligkeitsgutachten gehandelt haben könnte, ist nicht ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nicht festgestellt worden.

Führt – wie hier – die derart in Auftrag gegebene Prüfung, ob eine Insolvenzsituation vorliegt, zu der fachkundigen und für den organschaftlichen Vertreter bei der gebotenen Plausibilitätskontrolle nachvollziehbaren Feststellung, dass die Gesellschaft weder im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses noch im Prüfungszeitpunkt im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet und sogar die Zahlungsfähigkeit jedenfalls bis zum Jahresende – selbst ohne Zuführung neuen Fremdkapitals – gesichert war, musste der Beklagte – gemessen an der von ihm geforderten Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters – keinen Insolvenzantrag stellen. Es wäre nicht zu rechtfertigen, einem organschaftlichen Vertreter abzuverlangen, unabhängigen, fachkundigen Rat zur Klärung des Bestehens einer Insolvenzlage einzuholen und es ihm gleichwohl als schuldhaften Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten anzulasten, wenn er sich – trotz fehlender eigener ausreichender Sachkunde – dem fachkundigen Rat entsprechend verhält (vgl. Hopt aaO Fn. 873).

Hiernach konnte sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft der persönlichen Haftung wegen Insolvenzverschleppung dadurch entziehen, dass er – im Zusammenwirken mit dem Aufsichtsrat – einen Wirtschaftsprüfer mit der Prüfung der Insolvenzantragspflicht beauftragt hatte.

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