Menü

Der Snowden-Effekt

Der Snowden-Effekt ist unabhängig von der uninteressanten Frage nach „Held oder Verräter“ wirksam, aber in seinen Auswirkungen noch eher unüberschaubar. Zugegebenermaßen gab es neben dem Justizopfer Mollath kaum ein anderes öffentliches Thema, das mich in den letzten Jahren emotional so mitgenommen hat.

Der Snowden-Effekt ist bereits jetzt weit über das Thema „Datenschutz“ hinaus wirksam, obwohl man sicher noch mit weiteren Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden rechnen darf. Doch wer hätte auch gedacht, dass der Friedens-Nobelpreisträger Barack Obama hinter einem globalen Abhörprogramm steht, das auch vor europäischen Institutionen wie Europäische Kommission und ausländischen Botschaften nicht Halt macht. Ebenso schockierend wie die Enthüllungen von Edward Snowden sind jedoch auch die Reaktionen unserer Regierungsmitglieder und der Opposition, unseres Bundespräsidenten und der Medien. Bis heute habe ich auf eine nennenswerte Stellungnahme seitens unserer Regierung gewartet, ob und wieviel von den Snowden-Enthüllungen wahr ist. Stattdessen mehren sich die Anzeichen, dass es eine rege Kooperation zwischen NSA, BND und anderen westlichen Geheimdiensten gab, mit oder ohne Kenntnis der Regierung(en). Sollte das stimmen, erklärt sich natürlich auch die „laute“ Stille der aktuellen Regierung in Zeiten des Wahlkampfs. Umso lauter war die Stellungnahme unseres Bundespräsidenten Gauck, der von „purem Verrat eines NSA-Mitarbeiters“ sprach, für das er kein Verständnis hat. Zufälligerweise habe ich dem Sommer-Interview mit dem Bundespräsidenten Gauck in voller Länger gelauscht und kann diesbezüglich feststellen, dass es noch eine Menge weiterer irritierender Aussagen gab.

Einige Tage nach den ersten Veröffentlichungen über das Prism-Programm der USA sah es leider ganz danach aus, als ob sich das Thema in der Frage „Ist Snowden ein Held oder Verräter“ verirrt. Inzwischen haben die Enthüllungen Snowdens eine eigene Dynamik entwickelt, die weit über seine Funktion als Whistleblower und sein persönliches Schicksal hinausgehen. Während die Abwägung zwischen Terrorbekämpfung und Sicherheit auf der einen Seite und Privatspäre, Datenschutz und Gefahren der Wirtschaftspionage auf der anderen Seite zunehmend in den Vordergrund gerückt ist, blieben andere Fragen wie z.B. der Umgang mit Whistleblowern leider noch im Hintergrund.

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Enthüllungen kann ich einen Snowden-Effekt auch in meiner eigenen kleinen Welt nicht mehr leugnen. Sehr einfach fiel mir die Entscheidung, mich von der Suchmaschine Google endgültig zu verabschieden. Hier fiel der Snowden-Effekt auf fruchtbaren Boden, da ich schon längere Zeit mit der Politik des Internet-Giganten Google nicht mehr einverstanden bin. Als Beispiel möchte ich nur die Klage des Fotografen-Berufsverbands Freelens gegen die neue Bildersuche der Suchmaschine anführen. Darüber hinaus habe ich meinen aktuellen Browser Firefox mit einigen Plugins erweitert, die auf der sehr informativen Seite prism-break.org gefunden habe.

Der Snowden-Effekt
Tagged on:

8 thoughts on “Der Snowden-Effekt

  • Herr Schwerd,
    bewerten können Sie, wie Sie wollen.

    Aber Gauck hat die von Ihnen angedeutete Äußerung nicht gemacht. Es war lediglich ein Halbsatz, der damit begann, dass er (Gauck) gar nicht genügend Informationen habe, um urteilen zu können.

    Einem Juristen sollte es möglich sein, einen einfachen Satz ohne Sachverhaltsquetsche wiederzugeben.

    Ihnen noch eine erfolgreiche Woche

  • Zu Ihrer Frage darf ich auf meinen Hinweis im Text auf prism-break.org verweisen, wo mindestens zwei Alternativen genannt werden.

  • Jedem steht es frei, die Aussagen des Bundespräsidenten Gauck in dem genannten Sommer-Interview nach eigenen Maßstäben zu bewerten. Von „purem Verrat“ ist Edward Snowden in meinen Augen jedoch soweit entfernt, daß diese Bewertung einem freiheitsliebenden Bundespräsidenten Gauck auch nach Bekanntwerden aller Infos nicht zusteht.

  • Es fällt mir ausgesprochen leicht auf diverse Dienste von Google wie z.B. GMail, Google+, Picasa,etc zu verzichten. Aber welche Suchmaschine ist auch nur im Ansatz vergleichbar leistungsstark und bringt nicht die gleichen grundsätzlichen Problematiken mit?

  • Ich bin auch sehr enttäuscht über unsere Regierung und auch über den Bundespräsidenten. Es beschämt mich auch, dass Herrn Snowden kein Asyl in Deutschland gewährt wird, auch wenn ich anerkenne, dass diese Entscheidung entsprechend der Rechtslage getroffen wurde. Ich finde aber nicht, dass dieser Fall wie ein „x-beliebiger“ Asylantrag hätte behandelt werden sollen.

    Herr Snowden hat sein eigenes Wohl hintenan gestellt und sein Ziel war es, die Demokratie zu schützen (er wollte, dass das Volk die Chance hat, zu entscheiden wie viel Überwachung es will … dazu muss es natürlich wissen wie es bereits überwacht ist). Wie ist es eigentlich um die Demokratie bestellt, wenn den Bürgern Handlungen des Staates einfach nicht erzählt werden? Wie soll der Souverän herrschen, wenn er nicht informiert wird? Und akzeptiert der Souverän es wirklich, wenn Leute, die ihm Informationen geben, dafür bestraft werden?

    Diesen jungen Mann, der sich sozusagen für uns alle geopfert hat, der nach seinem Gewissen gehandelt hat und einfach nur ausgeplaudert hat, dass der Amerikanische Staat gegen Gesetze verstößt (zumindest gegen das deutsche Grundgesetz), jetzt alleine im Regen stehen zu lassen ist mir dermaßen zuwider …

    Es klingt etwas pathetisch, aber aktuell schäme ich mich ein Deutscher und eine Europäer zu sein …

  • Hallo Herr Rechtsanwalt,

    es ist interessant, wie unreflektiert Sie die gegenwärtige Gauck-Dresche aufgreifen und multiplizieren.

    Möglicherweise ist Ihnen entgangen, dass Gauck nur einen Satz zuvor sinngemäß sagte, er verfüge noch nicht über genügend Informationen um urteilen zu können, ob hier eine Heldentat oder purer Verrat vorliege.

    Dies ist vor allem deshalb erstaunlich, da Sie sich damit brüsten, das Interview in voller Länge gesehen zu haben.

    Eine äußerst dürftige Rezeptionsleistung.

    Freundliche Grüße

Comments are closed.