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Die Nobel-Brüder und ihr Einstieg ins Ölgeschäft

Der Einstieg der Nobel-Brüder in das große Spiel ums Öl in den 1870-Jahren erfolgte im Zuge einer politischen und wirtschaftlichen Öffnung Russlands für ausländische Investoren durch Zar Alexander II.

Im Zentrum der ambitionierten Strategie des russischen Zaren zur industriellen Modernisierung seines Landes standen die reichen Ölvorkommen im Kaukasus, insbesondere rund um Baku am Kaspischen Meer. Deren Potenzial bot dem Zaren eine einmalige Gelegenheit, Russland auf die Bühne der größten Öllieferanten zu bringen.

Die Freigabe dieser Ölvorkommen für Investoren lockte zahlreiche Akteure an, darunter auch die Nobel-Brüder, die sich als erfolgreiche Unternehmer erwiesen und eine wichtige Rolle bei der Erschließung und beim Export dieser Ressourcen spielten. Mit Innovationen und unternehmerischem Geschick trugen Ludvig, Alfred und Robert Nobel maßgeblich zur Entwicklung innovativer Methoden beim Bohren, Transport und in der Raffination von Erdöl bei.

Inhalt:

  1. Die frühen Jahre der Nobel-Familie in Russland
  2. Die Nobel-Brüder steigen ins Ölgeschäft ein
  3. Ende des Russisch-Osmanischen Kriegs (1877/1878)
  4. Gründung der Branobel Ltd. in St. Petersburg
  5. Pipelines, Öltanker und andere Innovationen der Nobel-Brüder

1. Die frühen Jahre der Nobel-Familie in Russland

Die Nobel-Brüder, Ludvig und Alfred, waren namhafte Pioniere in der Entstehungsgeschichte der globalen Ölindustrie, deren Investitionen in der Region rund um Baku am Kaspischen Meer die Grundlagen bildeten, was sich später zu einer voll ausgeprägten Ölindustrie entwickeln würde.

Beide Brüder waren schon durch das Unternehmen ihres Vaters in St. Petersburg mit Russland verbunden, wo Immanuel Nobel seit 1842 als erfolgreicher Maschinenbauer selbständig tätig war. Gemeinsam hatten sie dort in den 1850er-Jahren unter Anleitung ihres Vaters eine technische Ausbildung absolviert und praktische Erfahrungen gesammelt. Nach dem Ende des Krimkrieges 1856 geriet das Unternehmen allerdings mehr und mehr in Schwierigkeiten, da sich der Zar Alexander II. weniger für Kriegsgüter und mehr für die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes interessierte. Auf Betreiben der Gläubiger übernahm Ludvig Nobel mit 28 Jahren die technische Leitung des Unternehmens. Dieses firmierte unter dem Namen Fonderies et Ateliers Mécaniques Nobel Fils und stellte vor allem Kriegsmaterialien wie Minen und Dampfmaschinen her, bevor es 1862 schließlich verkauft wurde.

Mit den letzten finanziellen Mitteln gründete Ludvig Nobel die Maschinenbau-Fabrik Ludvig Nobel, die ursprünglich gehärtete Gusseisen-Granaten herstellte, aber sich innerhalb weniger Jahre zu einem der größten Produzenten von Gewehren in Russland entwickelte. Während Ludvig Nobel die Fabrik in St. Petersburg leitete, schickte er seinen ältesten Bruder, Robert Nobel, in den Kaukasus im südlichen Russland, um dort Walnussholz zur Produktion der Gewehre zu beschaffen.

2. Die Nobel-Brüder steigen ins Ölgeschäft ein

In den 1870er-Jahren erwarb Robert Nobel während einer seiner Geschäftsreisen im Kaukasus zusammen mit Baron Peter von Bilderling, Ingenieur und Offizier der Kaiserlich Russischen Armee, eine Raffinerie in Baku am Kaspischen Meer. Mit finanzieller Unterstützung seines Bruders Ludvig Nobel bauten sie diese zu einer der modernsten Raffinerien in der Region aus.

Die Entscheidung der Nobel-Brüder, in Baku am Kaspischen Meer zu investieren, war strategisch gut überlegt. Die Region bot nicht nur reiche Ölvorkommen, sondern auch einen großen, noch weitgehend unerschlossenen Markt. Zudem bot Zar Alexander II. ausländischen Investoren Sicherheit und relativ freie Hand, was in anderen Regionen der Welt zu dieser Zeit nicht selbstverständlich war. Allerdings fehlte die notwendige Infrastruktur, um das russische Öl nach Europa oder Asien zu exportieren.

3. Ende des Russisch-Osmanischen Kriegs (1877/1878)

Im Zuge des Berliner Kongresses nach dem Ende des Russisch-Osmanischen Kriegs erhielt Russland 1878 die Hafenstadt Batumi am Schwarzen Meer. Für Russland war diese Annexion ein entscheidender Schritt für den Export des Rohöls nach Europa, da die Hafenstadt einen Zugang zum Schwarzen Meer gewährte und somit den Seeweg in die europäischen Häfen eröffnete. Hierdurch ergab sich für die Nobel-Brüder eine strategische Chance, das russische Öl nach Europa zu exportieren und erstmals eine ernsthafte Konkurrenz für Standard Oil zu etablieren. Hierfür musste jedoch zunächst die notwendige Infrastruktur im Kaukasus vollendet werden, um das Öl von Baku direkt nach Batumi zu transportieren.

Hierfür war ein massiver Ausbau der Eisenbahnstrecke durch den Kaukasus erforderlich, um die Küsten des Schwarzen Meeres und des Kaspischen Meeres miteinander zu verbinden. Heute ist sie ein wesentlicher Teil der Südroute „Europa-Kaukasus-China“, über die ein zunehmender Anteil des internationalen Güter- und Containerverkehrs abgewickelt wird.

Nach dem Beginn der Bauarbeiten im Jahre 1865 ging der erste Abschnitt zwischen Tiflis und Sestaponi am 1. August 1871 in Betrieb. Weitere umfangreiche Ausbauarbeiten führten zur Fertigstellung der Strecke von Tiflis nach Baku im Mai 1883. Diese Verbindung ermöglichte eine durchgehende Bahnstrecke von Baku über Tiflis bis zum Hafen Batumi, was den Transport von Öl und anderen Gütern wesentlich erleichterte und beschleunigte. In der Folgezeit entwickelte sich ein in Batumi ein neuer logistischer Knotenpunkt am Schwarzen Meer, von dem das Öl per Schiff über die Seewege nach Europa und andere Regionen der Welt transportiert werden konnte.

4. Gründung der Branobel Ltd. in St. Petersburg

Im Jahr 1879 wandelte Ludvig Nobel das Unternehmen in eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in St. Petersburg um, um weitere Investoren mit frischem Kapital aufzunehmen. Das Unternehmen firmierte fortan unter Petroleum Production Company Nobel Brothers Ltd. (Branobel), wobei Ludvig Nobel und Baron Peter von Bilderling den Großteil der Aktien erhielten, während die beiden anderen Nobel-Brüder Robert und Alfred sowie Baron Alexandre von Bilderling nur mit geringen Anteilen beteiligt waren.

5. Pipelines, Öltanker und andere Innovationen der Nobel-Brüder

Die Nobel-Brüder waren erfolgreiche Pioniere in der Modernisierung der Ölförderung, des Transports und der Verarbeitung von Öl. Sie führten zahlreiche Innovationen und Neuerungen ein, darunter die weltweit erste Ölpipeline von Baku nach Batumi, die nach einigen Jahren Bauzeit im Jahr 1906 fertiggestellt wurde. Gegenüber dem Transport mit der Bahn war die Ölpipeline ein entscheidender Schritt zur Steigerung der Effizienz und Transportkapazitäten, um das Öl in noch größerem Stil über den Hafen von Batumi zu den internationalen Märkten zu exportieren.

Ein weiterer bedeutender Fortschritt war der Bau des ersten modernen Öltankers, den Ludvig Nobel speziell für den maritimen Transport von flüssigem Öl entwickelt hatte. Der „Zoroaster“ wurde 1878 erstmals erbaut und war damit einer der ersten Tanker, die ausschließlich für den Öltransport entwickelt wurden. Das Schiff war relativ klein und hatte eine Kapazität von etwa 240 bis 250 Tonnen Öl. Er zeichnete sich durch mehrere innovative Merkmale aus, darunter seine Eisenkonstruktion und das Design des Öltanks, der aus mehreren Abteilungen bestand, um die Bewegung der Flüssigkeit während der Fahrt zu minimieren. Diese Bauweise wurde später zur Norm für die Konstruktion von größeren Öltankern.

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