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Die Zerschlagung von Standard Oil

Die Zerschlagung von Standard Oil durch das Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten vom 15. Mai 1911 war ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der amerikanischen Ölunternehmen und ein bedeutender Sieg der Regierung gegen eins der mächtigsten Unternehmen in der Geschichte.

Unter der Führung von John D. Rockefeller hatte sich Standard Oil zu einem Symbol für industrielle Macht und monopolistische Geschäftspraktiken entwickelt, das Anfang des 20. Jahrhunderts nahezu 90 % der amerikanischen Ölraffinerien und Pipelines kontrollierte. Der Aufstieg zu diesem einzigartigen Branchenriesen war geprägt von aggressiven Firmenübernahmen, rigiden Preisstrategien und exklusiven Geheimverträgen, die es dem Unternehmen ermöglichten, seine Konkurrenten mit unlauteren Mitteln zu verdrängen und den Markt monopolartig zu beherrschen.

Mit dem Sherman Antitrust Act aus dem Jahre 1890 gab es bereits einen rechtlichen Rahmen, um monopolistische Unternehmensstrukturen in den USA zu bekämpfen, aber es dauerte mehr als zwei Jahrzehnte, bis der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten 1911 entschied, dass Standard Oil gegen den Sherman Antitrust Act verstoßen habe und die Zerschlagung des Unternehmens in 34 unabhängige Firmen anordnete. Das Urteil hatte weitreichende Konsequenzen für die amerikanische Wirtschaft und das zukünftige Wettbewerbsrecht. Es symbolisierte nicht nur den Sieg über ein übermächtiges Monopol, sondern auch die Entschlossenheit der Regierung, einen fairen Wettbewerb zu fördern.

Inhalt:

  1. Hintergrund für das Urteil des Obersten Gerichtshofs
  2. Die Vorgeschichte bis zur Zerschlagung von Standard Oil
  3. Der Sherman Antitrust Act als rechtlicher Rahmen
  4. Der Prozess „Standard Oil Co. of New Jersey v. United States“
  5. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 15. Mai 1911
  6. Die Nachfolgeunternehmen nach der Zerschlagung
  7. Kurzfristige und langfristige Auswirkungen der Entscheidung

1. Hintergrund für das Urteil des Obersten Gerichtshofs

Das Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten vom 15. Mai 1911, das die Zerschlagung der Standard Oil Company anordnete, markierte einen historischen Wendepunkt in der amerikanischen Unternehmensgeschichte. Unter der Führung von John D. Rockefeller hatte sich die Standard Oil Company durch aggressive Expansionsstrategien und unlautere Geschäftspraktiken zu einem der mächtigsten Unternehmen der Welt entwickelt. John D. Rockefeller selbst war zur damaligen Zeit einer der reichsten Männer der Welt.

Mit dem Sherman Antitrust Act von 1890 gab es bereits einen rechtlichen Rahmen, der es der US-Regierung ermöglichte, monopolistische Unternehmensstrukturen zu regulieren. Der erste bedeutende Anwendungsfall für das Gesetz war der Prozess gegen die Northern Securities Company im Jahr 1902, die als Holdinggesellschaft für mehrere große Eisenbahngesellschaften diente. Die Anklage durch die Regierung unter Präsident Theodore Roosevelt führte zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Jahre 1904, die Northern Securities Company aufzulösen. Es war einer der ersten großen Siege im Kampf gegen Monopole​ in den USA.

2. Die Vorgeschichte bis zur Zerschlagung von Standard Oil

Im späten 19. Jahrhundert erließen einige US-Bundesstaaten Gesetze, um die Aktivitäten von auswärtigen Unternehmen einzuschränken und diese zu zwingen, sich im jeweiligen Staat zu registrieren und dort Steuern zu zahlen. Während einige Bundesstaaten Sondersteuern für auswärtige Unternehmen erhoben, erließen andere Bundesstaaten Verbote, Aktien von Unternehmen in anderen Bundesstaaten zu halten.

Um diese unterschiedlichen Einschränkungen zu umgehen und ihre wachsende Unternehmensstruktur weiterhin effektiv zu verwalten und zu kontrollieren, organisierte die 1870 in Ohio gegründete Standard Oil Company (auch bekannt als Standard Oil of Ohio) ihre verbundenen Unternehmen und Tochtergesellschaften im Jahr 1882 unter einer Gruppe von Treuhändern, bekannt als der Standard Oil Trust. Diese Treuhänder repräsentierten im Ergebnis die Aktionäre aller Standard Oil Unternehmen, darunter die Standard Oil Company of New York, die Standard Oil Company of Indiana, die Standard Oil Company of California (SOCAL) und die Continental Oil Company (CONOCO).

Aus mehreren strategischen Gründen verlagerte die Standard Oil Company (Standard Oil of Ohio) 1885 ihren Hauptsitz von Cleveland nach New York City. Der Umzug in das Finanzzentrum der USA ermöglichte Standard Oil einen besseren Zugang zu den Finanzmärkten, was für die Kapitalbeschaffung und Investitionen von entscheidender Bedeutung war. Hier gab es auch die notwendige Infrastruktur und die Ressourcen, um ein großes Unternehmen wie Standard Oil mit weitverzweigten Tochtergesellschaften und Geschäftsbereichen effektiv zu verwalten. Zudem bot die Nähe zu den großen internationalen Banken und Investoren bessere Geschäfts- und Wachstumschancen.

Gleichzeitig gründeten die Treuhänder des Standard Oil Trust die Standard Oil Co. of New Jersey (SOCNJ) als zentrale Holdinggesellschaft, um von den liberalen Gesetzen im Bundesstaat New Jersey zu profitieren und alle Standard Oil Unternehmen unter einem Dach zu verwalten und zu kontrollieren. Gegen diese Holdinggesellschaft richtete sich der Anti-Trust-Prozess des US-Regierung, der schließlich zur Zerschlagung des Unternehmens in 34 unabhängige Firmen führte.

3. Der Sherman Antitrust Act als rechtlicher Rahmen

Der Sherman Antitrust Act von 1890 ist ein bedeutendes Kartellgesetz der Vereinigten Staaten, das den Grundsatz des freien Wettbewerbs unter den im Handel tätigen Personen vorschreibt und folglich unlautere Monopole verbietet. Es ist nach Senator John Sherman benannt und wurde am 2. Juli 1890 vom Kongress verabschiedet.

Das Gesetz verbietet im Wesentlichen zwei Dinge:

  1. Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die alle Verträge, Kombinationen oder Verschwörungen umfassen, die den Handel einschränken.
  2. Einseitiges Verhalten: Handlungen, die den relevanten Markt monopolisieren oder versuchen, ihn zu monopolisieren.

Der Sherman Antitrust Act ermächtigt das Justizministerium zur Klageerhebung, um unzulässige Handlungen zu untersagen. Darüber hinaus ermöglicht es privaten Parteien zur Erhebung einer Schadensersatzklage, wenn sie die durch solche Handlungen geschädigt wurden.

The purpose of the Sherman Antritrust Act is not to protect businesses from the working of the market; it is to protect the public from the failure of the market. The law directs itself not against conduct which is competitive, even severely so, but against conduct which unfairly tends to destroy competition itself.

Der Zweck des Sherman Antitrust Act besteht nicht darin, Unternehmen vor einem funktionierenden Markt zu schützen; vielmehr soll die Öffentlichkeit vor einem Marktversagen geschützt werden. Das Gesetz richtet sich nicht gegen wettbewerbsförderndes Verhalten, selbst wenn es hart ist, sondern gegen unlautere Verhaltensweisen, die versuchen, den Wettbewerb zu zerstören.

Spectrum Sports, Inc. v. McQuillan, 506 U.S. 447, 458 (1993).

Der Sherman Antitrust Act war Grundlage bedeutender Fälle wie United States v. Northern Securities Co. (1904), der zur Auflösung des Unternehmens führte und wichtige Präzedenzfälle für die Interpretation des Gesetzes setzte. In United States v. American Tobacco Co. (1911) wurde das American Tobacco Co. in vier Teile gespalten, was den Wettbewerb in der Tabakindustrie wiederherstellte. Ein weiterer bedeutender Fall war United States v. AT&T Co. (1982), der zur Auflösung von AT&T führte und die Struktur der Telekommunikationsunternehmen veränderte. United States v. Microsoft Corp. (2001) war ebenfalls ein wichtiger Fall, der allerdings durch eine Einigung ohne die Auflösung des Unternehmens beigelegt wurde.

Im Fall der Zerschlagung des Standard Oil Trust spielte der Sherman Antitrust Act von 1890 ebenfalls eine zentrale Rolle. Das Justizministerium unter Präsident Theodore Roosevelt erhob gegen die Standard Oil Company of New Jersey Klage und beschuldigte das Unternehmen, mit unlauteren Methoden und Geschäftspraktiken ein Monopol aufrechtzuerhalten sowie den zwischenstaatlichen Handel zu behindern.

4. Der Prozess „Standard Oil Co. of New Jersey v. United States“

In den Jahren 1904 bis 1906 hatte der Bundesbeauftragte für Unternehmen die Geschäftspraktiken von Standard Oil untersucht und festgestellt, dass die beherrschende Position von Standard Oil auf unlauteren Methoden und Geschäftspraktiken beruhte. In seinem Bericht hob er hervor, dass Standard Oil seine Größe und den marktbeherrschenden Einfluss nutzte, um Konkurrenten auf wettbewerbswidrige Weise auszuschalten, insbesondere durch unlautere Preisstrategien und Drohungen gegen Lieferanten und Händler.

The general result of the investigation has been to disclose the existence of numerous and flagrant discriminations by the railroads in behalf of the Standard Oil Co. and its affiliated corporations. With comparatively few exceptions, mainly of other large concerns in California, the Standard has been the sole beneficiary of such discriminations. In almost every section of the country that company has been found to enjoy some unfair advantages over its competitors, and some of these discriminations affect enormous areas.

Im Ergebnis führte die Untersuchung zur Offenlegung zahlreicher und eklatanter Diskriminierungen durch die Eisenbahnen zugunsten der Standard Oil Company und ihrer verbundenen Unternehmen. Mit vergleichsweise wenigen Ausnahmen, hauptsächlich andere große Unternehmen in Kalifornien, war Standard Oil der einzige Nutznießer solcher Diskriminierungen. In fast allen Teilen des Landes konnte festgestellt werden, dass dieses Unternehmen einige unfaire Vorteile gegenüber seinen Konkurrenten genoss, und einige dieser Diskriminierungen betreffen enorme Gebiete.

Das US-Justizministerium erhob im November 1906 Klage gegen die Standard Oil Co. of New Jersey ein und beschuldigte das Unternehmen, durch verschiedene unlautere Praktiken ein Monopol aufrechtzuerhalten und den zwischenstaatlichen Handel zu behindern, was einen Verstoß gegen den Sherman Antitrust Act darstellte.

Fast überall sind die Tarife von den Versandpunkten, die ausschließlich oder fast ausschließlich von der Standard Oil Company genutzt werden, relativ niedriger als die Tarife von den Versandpunkten ihrer Konkurrenten. Die Tarife wurden gesenkt, um der Standard Oil den Markteintritt zu erleichtern, oder sie wurden erhöht, um ihre Konkurrenten aus den Märkten fernzuhalten. Geringfügige Unterschiede in der Entfernung wurden als Vorwand für große Unterschiede beim Tarif zugunsten der Standard Oil Company genutzt, während große Unterschiede in der Entfernung ignoriert wurden, wenn sie gegen die Standard Oil sprachen.

Es gibt schlüssige Beweise, dass die Standard Oil Company völlig überhöhte Preise verlangt, wo sie keiner Konkurrenz begegnet, und insbesondere dort, wo wenig Wahrscheinlichkeit besteht, dass Konkurrenten in den Markt eintreten. Andererseits, wo der Wettbewerb aktiv ist, senkt sie häufig die Preise auf ein Niveau, dass selbst Standard Oil nur wenig oder kein Gewinn verbleibt; im Ergebnis bleibt Konkurrenten weniger Gewinn, da deren Kosten in der Regel etwas höher sind.

Die Klage wurde in erster Instanz vor dem Bezirksgericht des östlichen Bezirks von Missouri nach dem Expediting Act verhandelt. Das Gericht erließ im November 1909 das Auflösungsurteil und im Dezember 1909 die entsprechende Begründung.

5. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 15. Mai 1911

Am 15. Mai 1911 entschied der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, dass im Falle der Standard Oil Co. of New Jersey ein Verstoß gegen den Sherman Antitrust Act vorliege und bestätigte die Zerschlagung des Unternehmens in 34 unabhängige Firmen.

6. Die Nachfolgeunternehmen nach der Zerschlagung

Nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 15. Mai 1911 wurde Standard Oil in 34 verschiedene Einheiten aufgeteilt, die hauptsächlich nach Regionen und Aktivitäten unterteilt waren. Viele dieser Nachfolgeunternehmen spielten auch danach eine wichtige Rolle in der Ölindustrie, entweder eigenständig oder durch Übernahmen durch andere Unternehmen.

Standard Oil of New Jersey, die zentrale Holdinggesellschaft der Standard Oil Gruppe zum Zeitpunkt der Auflösung, existiert weiterhin als ExxonMobil, die aus der Fusion mit Standard Oil of New York hervorging. British Petrol (BP) hat ebenfalls viele Nachfolgeunternehmen von Standard Oil übernommen, insbesondere Standard Oil of Ohio und Amoco (Standard Oil of Indiana).

Saudi Aramco, das staatliche Ölunternehmen des Königreichs Saudi-Arabien, führt seinen Ursprung ebenfalls auf Standard Oil zurück, da es in Partnerschaft mit Standard Oil of California gegründet wurde, heute bekannt als Chevron Corporation.

7. Kurzfristige und langfristige Auswirkungen der Zerschlagung

Das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 15. Mai 1911 hatte sowohl kurzfristige als auch langfristige Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft und die Entwicklung der globalen Ölindustrie.

Unmittelbar nach der Zerschlagung von Standard Oil stieg der Wettbewerb in der Ölindustrie sprunghaft an, da die Nachfolgeunternehmen mit dem Wegfall der zentralen Kontrolle begannen, unabhängig voneinander zu operieren. Dies führte nicht nur zu einem verstärkten Wettbewerb, sondern auch zu einem Innovationsdruck führte. Verbraucher profitierten von niedrigeren Preisen und einer größeren Auswahl an Produkten. Gleichzeitig führte die Zerschlagung von Standard Oil zu einem Anstieg der Aktienkurse der Nachfolgeunternehmen, was den Aktionären von Standard Oil einen unverhofften Reichtum bescherte. John D. Rockefeller, der bedeutende Aktienanteile an den Nachfolgeunternehmen hielt, wurde durch die Zerschlagung von Standard Oil sogar noch reicher.

In mittel- und langfristiger Hinsicht machte das Urteil des Obersten Gerichtshofs gegen den Standard Oil Trust deutlich, dass die US-Regierung bereit und in der Lage war, gegen Monopole vorzugehen. Die Entscheidung stärkte den Sherman Antitrust Act als rechtlichen Rahmen zur Bekämpfung von Monopolen und zur Förderung des Wettbewerbs, was insgesamt dazu beitrug, dass sie die Industrie in den USA nachhaltiger und dynamischer entwickeln konnte.

Einige der Nachfolgeunternehmen entwickelten sich erneut zu bedeutenden Akteuren in der globalen Ölindustrie. ExxonMobil und Chevron gehören heute zu den erfolgreichsten und mächtigsten Ölunternehmen der Welt.

Die Zerschlagung von Standard Oil
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