Die Deutsche Rentenversicherung prüft die Sozialversicherungspflicht der Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft (KG) oder GmbH & Co. KG inzwischen sehr genau. Wie beim geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH ist die kapitalmäßige Beteiligung an der Gesellschaft alleine nicht ausreichend, um eine Sozialversicherungspflicht zu verneinen. Geschäftsführer einer KG oder GmbH & Co. KG und deren Steuerberater sind gut beraten, wenn sie die bisherige sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ihrer Kommanditisten überprüfen lassen.
Inhalt:
- Sozialversicherungspflicht in Deutschland
- Rechtsprechung der Sozialgerichte
- Sozialversicherungspflicht der Kommanditisten
- Besonderheiten beim Kommanditisten einer GmbH & Co. KG
- Prüfung der Sozialversicherungspflicht im Einzelfall
1. Sozialversicherungspflicht in Deutschland
In Deutschland besteht für die gegen Arbeitsentgelt beschäftigten Personen in einem Unternehmen grundsätzlich eine gesetzliche Zwangsversicherung, die sich auf die folgenden Bereiche erstreckt:
- Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V);
- Rentenversicherung (§ 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI);
- Arbeitslosenversicherung (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III);
- Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI);
- Betriebliche Unfallversicherung.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung nahezu zu gleichen Teilen. Man spricht von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen. Die Beiträge zur betrieblichen Unfallversicherung sind vom Unternehmen alleine zu tragen.
Die Höhe der Beiträge ist abhängig von der Tätigkeitsvergütung der Kommanditisten.
Stellt die Deutsche Rentenversicherung im Rahmen einer Betriebsprüfung im Nachhinein eine abhängige Beschäftigung der Kommanditisten fest, muss das Unternehmen sämtliche Beiträge (§ 28e Abs. 4 SGB IV) nachzahlen. Hieraus können sich enorme finanzielle Nachforderungen ergeben, die sich durch eine Überprüfung der Verhältnisse im Vorfeld vermeiden lassen.
Abgrenzung abhängig beschäftigter Kommanditisten vom selbständigen Unternehmer
Für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit gelten bei Kommanditisten die gleichen Grundsätze wie beim geschäftsführenden Gesellschafter der GmbH (auf die ich hiermit verweise, um Wiederholungen zu vermeiden).
Selbständige Unternehmer unterliegen grundsätzlich nicht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht. Eine Ausnahme bildet die gesetzliche Rentenversicherungspflicht gem. § 2 SGB VI für einzelne Berufsgruppen und Unternehmer mit nur einem Auftraggeber.
2. Rechtsprechung der Sozialgerichte
Für die Kommanditisten einer KG oder GmbH & Co. KG gelten die gleichen Grundsätze wie beim geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH, die seit Änderung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Jahre 2012 Anwendung finden.
Mit dem Urteil vom 29.7.2015 (B 12 KR 23/13 R) hat das BSG die „Kopf und Seele“- Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer in der Familien-GmbH endgültig aufgegeben. Eine Abhängigkeit der Sozialversicherungspflicht von rein faktischen und jederzeit änderbaren Verhältnissen ist mit den Anforderungen des Sozialversicherungsrechts nicht zu vereinbaren. Es müssen die gesetzlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen auch bei Familiengesellschaften Vorrang haben. Die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht ist in erster Linie anhand der individuellen Rechtsmacht zur Einflußnahme auf den Inhalt der Gesellschafterbeschlüsse vorzunehmen. Diese Prüfung ist entscheidend anhand des Gesellschaftsvertrages der KG vorzunehmen.
3. Sozialversicherungspflicht der Kommanditisten
Wie beim geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH ist allein die kapitalmäßige Beteiligung der Kommanditisten an der Gesellschaft nicht ausreichend, um von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen. Tatsächlich ist wohl bei den meisten beschäftigten Kommanditisten eine Sozialversicherungspflicht zu bejahen.
Die Einordnung der Tätigkeit des Kommanditisten im jeweiligen Einzelfall ist immer nach den vertraglichen Verhältnissen vorzunehmen. Es sind vor allem folgende Fallgruppen zu unterscheiden:
- Mehrheitlich beteiligter Kommanditist (über 50%) mit bestimmendem Einfluss in der Gesellschafterversammlung;
- Hälftig beteiligter Kommanditist (= 50%);
- Sonstige Kommanditisten ohne Sperrminorität in der Gesellschafterversammlung (unter 50%).
Ein Kommanditist mit einer kapitalmäßigen Beteiligung an der KG oder GmbH & Co. KG über 50% verfügt regelmäßig über die Rechtsmacht zur bestimmenden Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung. Im Ergebnis ist er einem selbständigen Unternehmer gleichzustellen und eine Sozialversicherungspflicht zu verneinen.
Ein Kommanditist mit einer kapitalmäßigen Beteiligung unter 50% ist auf Basis der vertraglichen Verhältnisse grundsätzlich nicht in der Lage, maßgeblichen Einfluss auf den Inhalt der Gesellschafterbeschlüsse zu nehmen. Er ist mit einem abhängig beschäftigten Mitarbeiter der Gesellschaft gleichzustellen. Eine Vergütung seiner Tätigkeit unterliegt grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht.
Eine Ausnahme bildet die Kommanditisten, die über eine Sperrminorität in der Gesellschafterversammlung oder über vergleichbare Sonderrechte verfügen.
Eine andere Beurteilung kann sich auch bei einer Gewinnverteilung im Wege monatlicher Vorwegentnahmen ergeben. Eine Verpflichtung zur (Teil-)Rückzahlung bei fehlendem oder zu niedrigem Gewinn könnte eine wichtige Hilfe zur Unterscheidung zwischen Tätigkeitsvergütung und Gewinnverteilung sein.
4. Besonderheiten bei Kommanditisten der GmbH & Co. KG
Bei der GmbH & Co. KG sind einige Besonderheiten zu beachten, die sich auch aus den verschiedenen Varianten der GmbH & Co. KG ergeben. Diesbezüglich verweise ich auf meinen Artikel zur Sozialversicherungspflicht mittelbar beteiligter Geschäftsführer, den ich anlässlich der Urteile des BSG vom 07.07.2020 und 08.07.2020 geschrieben habe.
5. Prüfung der Sozialversicherungspflicht im Einzelfall
Eine Prüfung der Sozialversicherungspflicht im Einzelfall in Verbindung mit einer Gestaltungsberatung zur Vermeidung ist nicht teuer. Im Vergleich zu den finanziellen Nachforderungen seitens der Sozialversicherungsträger bei Feststellung einer Sozialversicherungspflicht stellen die Kosten einer Beratung nur einen Bruchteil dar.
Für eine Prüfung der vertraglichen Verhältnisse durch einen Rechtsanwalt ist ein Blick in die folgenden Unterlagen ausreichend:
- Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft;
- Aktuelle Gesellschafterliste;
- Anstellungsvertrag mit Kommanditisten;
- Satzung der Komplementär-GmbH mit aktueller Gesellschafterliste bei einer GmbH & Co. KG.
Benötigen Sie in den nachfolgenden Fallgruppen rechtliche Begleitung, nehmen Sie bitte mit dem nachfolgenden Formular zu mir Kontakt auf:
- Rechtliche Beratung zum Gesellschaftsvertrag bei Gründung einer Kommanditgesellschaft oder GmbH & Co. KG;
- Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Kommanditisten bei bereits bestehender Gesellschaft.
In den meisten Fällen lässt sich der sozialversicherungsrechtliche Status eines Kommanditisten (oder geschäftsführenden Gesellschafters einer Komplementär-GmbH) mit ein- bis zweistündigem Zeitaufwand klären. Im 2. Schritt schlage ich Ihnen konkrete Maßnahmen vor, um eine ggf. bestehende Sozialversicherungspflicht rechtssicher zu beenden.