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Rentenversicherungspflicht für Selbständige

Die Rentenversicherungspflicht selbständiger Unternehmer und Freiberufler findet ihre Rechtsgrundlage in § 2 SGB VI sowie im Künstlersozialversicherungsgesetz. Hiernach unterliegen bestimmte Berufsgruppen und arbeitnehmerähnliche Selbständige einer Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung, bei denen die entsprechenden gesetzlichen Merkmale vorliegen. Das ist für manche Existenzgründer oder selbständige Unternehmer und Freiberufler in den betroffenen Bereichen bisweilen überraschend oder verwirrend. Das liegt u.a. auch daran, dass die Begriffe Sozialversicherungspflicht, Scheinselbständigkeit und Rentenversicherungspflicht nicht sauber voneinander getrennt werden. Allen drei Konstellationen ist jedoch gemeinsam, dass es um hohe Beitragsnachforderungen gehen kann, wenn der jeweilige Status zu Beginn der Beschäftigung bzw. Beauftragung falsch eingeschätzt und/oder die Versicherungspflicht später durch die Deutsche Rentenversicherung festgestellt wird. Letzteres kann auf Inititative des selbständigen Unternehmers selbst (z.B. anlässlich eines Antrages auf Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens) oder auf Initiative der Deutschen Rentenversicherung (z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung beim Auftraggeber) passieren. 

Inhalt:

  1. Selbständig oder scheinselbständig?
  2. Rentenversicherungspflicht für Selbständige
  3. Rentenversicherungspflicht für arbeitnehmerähnliche Selbständige mit nur einem Auftraggeber
  4. Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht
  5. Geringfügige selbständige Tätigkeit
  6. Auswege aus der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht

1. Selbständig oder scheinselbständig?

Zunächst ist stets zu klären, ob der selbständige Unternehmer oder Freiberufler im Sinne des Sozialversicherungsrechts tatsächlich eine selbständige Tätigkeit ausführt. Eine solche kann auch durchaus neben einer Anstellung in einem anderen Unternehmen vorliegen, also sozusagen eine nebenberufliche Selbständigkeit. Das Gegenstück hierzu wäre die Scheinselbständigkeit, die insbesondere für den Auftraggeber sehr teuer werden kann.

Eine selbständige Tätigkeit zeichnet sich regelmäßig dadurch aus, dass der Auftragnehmer nicht nur ein unternehmerisches Risiko trägt, sondern auch über

  • die eigene Arbeitszeit,
  • den Arbeitsort und
  • die Art und Weise der Ausübung seiner Tätigkeit

und somit insgesamt über die eigene Arbeitskraft frei entscheiden kann. Auch wenn die Beurteilung auf Basis der tatsächlichen Verhältnisse erfolgt, liefert der Wortlaut des Vertrages zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (Muster für Freier Mitarbeiter-Vertrag) schon wesentliche Indizien. Eine vertragliche Vereinbarung ist jedoch niemals geeignet, die tatsächlichen Verhältnisse zu ersetzen.

Für die Deutsche Rentenversicherung kommt es entscheidend darauf an, ob der Auftragnehmer mit seiner Tätigkeit ein unternehmerisches Risiko eingeht und keine Einbindung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers besteht. Der selbständige Unternehmer oder Freiberufler arbeitet immer auf eigenen Namen und auf eigene Rechnung  Überall dort, wo diese Merkmale nicht klar ersichtlich sind, wird das Thema der Scheinselbständigkeit relevant. Führt die Prüfung der Deutschen Rentenversicherung dazu, dass eine Scheinselbständigkeit besteht, ist das Vertragsverhältnis wie ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu behandeln. Wird die Scheinselbständigkeit erst später entdeckt, haftet der Auftraggeber für die fälschlicherweise nicht angemeldeten und nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass der Sachverhalt auch strafrechtliche Konsequenzen mit sich bringt.

2. Rentenversicherungspflicht für selbständige Unternehmer und Freiberufler

Ungeachtet dessen, dass selbständige Einzelunternehmer, Freiberufler oder Künstler grundsätzlich nicht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht unterliegen, ist es in bestimmten Fällen dennoch möglich, dass eine gesetzliche Rentenversicherungspflicht besteht. Dies findet seine Rechtsgrundlage in § 2 SGB VI sowie im Künstlersozialversicherungsgesetz. Hierbei handelt es sich um eine gesetzgeberische Entscheidung, bestimmte Berufsgruppen und arbeitnehmerähnliche Selbständige in das System der gesetzlichen Rentenversicherung einzubeziehen.

Es handelt sich u.a. um folgende Berufsgruppen:

  1. Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.
  2. Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.
  3. Hebammen und Entbindungspfleger.
  4. Seelotsen der Reviere im Sinne des Gesetzes über das Seelotswesen.
  5. Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG).
  6. Hausgewerbetreibende.
  7. Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeuges gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigen.
  8. Gewerbetreibende, die in die Handwerksrolle eingetragen sind und in ihrer Person die für die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, wobei Handwerksbetriebe im Sinne der §§ 2 und 3 der Handwerksordnung sowie Betriebsfortführungen auf Grund von § 4 der Handwerksordnung außer Betracht bleiben. Ist eine Personengesellschaft in die Handwerksrolle eingetragen, gilt als Gewerbetreibender, wer als Gesellschafter in seiner Person die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt.

3. Rentenversicherungspflicht für arbeitnehmerähnliche Selbständige

Darüber hinaus unterliegen arbeitnehmerähnliche Selbständige – unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit oder dem Beruf – der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Die entsprechende Regelung hierzu befindet sich in § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI.

Selbständige Unternehmer oder Freiberufler sind „arbeitnehmerähnlich„, wenn sie

  1. im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
  2. auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.

Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Regelung, die ohne Begrenzung auf bestimmte Branchen oder Berufsgruppen auf alle freie Mitarbeiter, Freiberufler, Freelancer oder Subunternehmer  anzuwenden ist, die im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind und keinen eigenen sozialversicherungspflichten Mitarbeiter beschäftigen (= arbeitnehmerähnlicher Selbständiger). Bei diesen Personen mag die eingangs erläuterte Abgrenzung zur Scheinselbständigkeit eine selbständige Tätigkeit ergeben, aber nichtsdestotrotz besteht eine gesetzliche Rentenversicherungspflicht gem. § 2 Nr. 9 SGB VI.

Diesbezüglich ist erschreckend, dass so viele Selbständige mit nur einem Auftraggeber davon ausgehen, dass sie nichts mit der gesetzlichen Rentenversicherung zu tun haben. Inzwischen ist das Entdeckungsrisiko jedoch deutlich größer geworden, da die Prüfer der Deutschen Rentenversicherung bei den typischen Auftraggebern regelmäßig auch die einschlägigen Konten (Fremdleistungen, Werbung etc.) nach solchen arbeitnehmerähnlichen Selbständigen durchforsten. Erschwerend kommt hinzu, dass arbeitnehmerähnliche Selbständige sehr oft vergleichsweise deutlich mehr verdienen als angestellte Arbeitnehmer.

4. Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht

Die Möglichkeit der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht wird in § 6 SGB VI geregelt. Hiernach besteht für folgende arbeitnehmerähnliche Selbständige die Möglichkeit, eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu beantragen:

  1. Existenzgründer für einen Zeitraum von 3 Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 S. 1 Nr. 9 erfüllt,
  2. Selbständige nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 S. 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.

Zu beachten ist jedoch, dass der Antrag auf Befreiung von der gesetzlichn Rentenversicherungspflicht nicht rückwirkend gilt und auf 3 Jahre befristet ist.

5. Geringfügige selbständige Tätigkeit

Geringfügig selbständige Personen unterliegen gem. § 5 Abs. 2 SGB VI nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Eine geringfügige selbständige Beschäftigung liegt nach § 8 SGB IV vor, wenn

  1. das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt;
  2. die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt.

Die Geringfügigkeitsgrenze wird jeweils vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Bundesanzeiger bekannt gegeben. Sie wurde zum 1. Oktober 2022 von 450 Euro pro Monat auf 520 Euro pro Monat brutto angehoben.

6. Auswege aus der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht

Bei einigen der in § 2 SGB VI genannten Personengruppen besteht die Möglichkeit, durch Beschäftigung eines mehr als geringfügig beschäftigten Arbeitnehmers der eigenen gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu entgehen. Dies gilt insbesondere für arbeitnehmerähnliche Selbständige mit nur einem Auftraggeber.

Rentenversicherungspflicht für Selbständige

One thought on “Rentenversicherungspflicht für Selbständige

  • Zu: „Auswege aus der Rentenversicherungspflicht

    Bei einigen der in § 2 SGB VI genannten Personengruppen besteht die Möglichkeit, durch Beschäftigung eines mehr als geringfügig beschäftigten Arbeitnehmers der eigenen gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu entgehen. Dies gilt insbesondere für arbeitnehmerähnliche Selbständige mit nur einem Auftraggeber. “

    Wie verhält es sich, wenn die beschäftigten Arbeitnehmer wechseln und eine zeitliche Lücke entsteht, so dass eine durchgehende Beschäftigung von mind. einer Person nicht besteht?

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