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Rentenversicherungspflicht selbständiger Lehrer, Erzieher und Trainer

Selbständige Lehrer und Erzieher unterliegen nach § 2 Nr. 1 SGB generell der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Diese Pflicht erstreckt sich auch auf selbständige Trainer. Allerdings ist nicht jeder Trainer in diesem Sinne „lehrend“ tätig, geschweige denn selbständig, da viele die Kriterien einer abhängigen Beschäftigung erfüllen und somit in die Kategorie „scheinselbständig“ fallen. Wer hier Fehler bei der Abgrenzung macht, zahlt oft teures Lehrgeld.

Inhalt:

  1. Gesetzliche Rentenversicherungspflicht trotz selbständiger Tätigkeit
  2. Rentenversicherungspflicht selbständiger Lehrer i.S.d. § 2 Nr. 1 SGB VI
  3. Abgrenzung der Begriffe: Trainer, Coach, Moderator, Supervisor
  4. Abgrenzung der Lehrer vom Berater
  5. Abgrenzung der Lehrer von Therapeuten
  6. Erzieher i.S.d. § 2 Nr. 1 SGB VI
  7. Rentenversicherungspflicht selbständiger Trainer

1. Gesetzliche Rentenversicherungspflicht trotz selbständiger Tätigkeit

Die gesetzliche Rentenversicherungspflicht für selbständige Lehrer und Erzieher ist in § 2 Nr. 1 SGB VI verankert, den es schon seit 01.01.1992 in dieser Fassung gibt. Diese Vorschrift setzt im Wesentlichen die Rechtslage fort, die bis zum 31. Dezember 1991 im ehemaligen Bundesgebiet Deutschlands bestand. Hiernach sind selbständig tätige Lehrer und Erzieher versicherungspflichtig in der Rentenversicherung. Ausgenommen sind diejenigen, die im Kontext mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig mindestens einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.

Ergänzend normiert die Regelung in § 2 Nr. 9 SGB VI eine allgemeine gesetzliche Rentenversicherungspflicht für arbeitnehmerähnliche Selbständige, die im Kontext mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und die auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.

Hierbei ist zu dringend darauf zu achten, die Regelung für arbeitnehmerähnliche Selbständige in § 2 Nr. 9 SGB VI sorgfältig von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht bei abhängiger Beschäftigung zu unterscheiden. Letztere tritt ein, wenn sich eine vermeintlich selbständige Tätigkeit bei genauerer Prüfung als Scheinselbständigkeit herausstellt. In solchen Fällen ist der vermeintliche Auftraggeber in Wirklichkeit ein Arbeitgeber, was weitreichende sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, einschließlich der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen.

In der Praxis bedeutet dies, dass vor allem Auftraggeber stets genau prüfen müssen, unter welche Kategorie die vertragliche Beziehung mit dem Mitarbeiter einzuordnen ist. Fehler können zu erheblichen finanziellen und rechtlichen Risiken führen. Im Zweifel ist es empfehlenswert, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um die komplexen und oft unklaren Kriterien der Abgrenzung vollständig zu verstehen und entsprechend zu handeln.

2. Rentenversicherungspflicht selbständiger Lehrer

Im Zusammenhang mit der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gem. § 2 SGB VI ist die Definition des Begriffs „Lehrer“ von zentraler Bedeutung. Nach Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung der Sozialgerichte ist dieser Begriff weit gefasst. Er umfasst jede Form der Wissensvermittlung, sei es Allgemeinbildung oder spezieller Kenntnisse, Fähigkeiten oder Fertigkeiten, sowohl im theoretischen als auch im praktischen Unterricht (zum Aerobic-Trainer: BSG, Urteil vom 12.10.2000, B 12 RA 2/99 R).

Sozialversicherungsrechtlich kann bereits „jede Anleitung zu einem gemeinsamen Tun in Form einer Unterrichtung“ als lehrende Tätigkeit genügen (BSG, Urteile vom 22.6.2005, B 12 RA 6/04 R und B 12 RA 14/04 R; BSG, Urteil vom 27.9.2007, B 12 R 12/06 R). Die erstrebte „Gemeinsamkeit“ entsteht dabei aus der Vermittlung von Wissen und Kompetenzen des Lehrenden an einen Lernenden unabhängig von einem konkreten Anwendungsbezug (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2015, B 5 RE 23/14 R).

Dies gilt unabhängig davon, ob die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen beim Lernenden „Gedächtnisspuren hinterlässt und das angeleitete gemeinsame Tun deshalb außerhalb des Unterrichts nicht wiederholt werden kann“. Ferner spielt es keine Rolle, auf welchen Gebieten Wissen und Kenntnisse vermittelt werden, ob es Vorgaben zu den Lehrinhalten und Lernzielen, zum Niveau, zur Qualität, Methode oder Form des Unterrichts gibt (z.B. Ort, Zeit und Anzahl der Teilnehmer). Ebenfalls unbedeutend ist die Qualifikation des Lehrers oder die Vorbildung seiner Schüler. Es ist keine Teilnahmepflicht oder Leistungskontrolle der Teilnehmer und kein Ausstellen von Zeugnissen oder Bescheinigungen erforderlich.

3. Abgrenzung der Begriffe: Trainer, Coach, Moderator, Supervisor

Die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen wird heutzutage häufig mit den modernen Begriffen wie Training, Coaching, Moderation oder Supervision umschrieben. Die konkrete Bezeichnung der Tätigkeit hat jedoch keinen Einfluss auf die Frage, ob derjenige eine lehrende Tätigkeit im Sinne von § 2 Nr. 1 SGB VI ausübt. Die Verwendung alternativer Berufsbezeichnungen ändert nichts an der Rentenversicherungspflicht gem. § 2 Nr. 1 SGB VI. Im Übrigen knüpft diese auch nicht an ein gesetzlich oder durch Ausbildungsvorschriften geregeltes Berufsbild des Lehrers an. Zur Vertiefung verweise ich auf die Urteile des BSG vom 22.6.2005 (B 12 RA 14/04 R) und vom 12.12.2007 (B 12 KR 8/07 R).

Darüber hinaus ist es erwähnenswert, dass künstlerisch und publizistisch tätige Lehrer in bestimmten Fällen unter das Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) fallen können. In solchen Szenarien gehören sie zum Personenkreis der versicherungspflichtigen Künstler und Publizisten. Dies kann zusätzliche Aspekte und Voraussetzungen in Bezug auf die Rentenversicherungspflicht mit sich bringen. Insgesamt zeigt sich, dass die sozialversicherungsrechtliche Einordnung komplex ist und von mehreren Faktoren abhängt.

4. Abgrenzung der Lehrer vom Berater

Wenn eine Tätigkeit sowohl lehrende als auch beratende oder therapeutische Elemente beinhaltet, ist eine differenzierte Betrachtung nach dem sachlichen Schwerpunkt vorzunehmen. Ein wegweisendes Urteil des BSG vom 23.04.2015 zum Thema Ernährungsberatung (Az. B 5 RE 23/14 R) kann hier als Referenz dienen.

Folgender Grundsatz ist bei der Abgrenzung hilfreich: Während die Lehrtätigkeit wesentlich durch eine Wissensvermittlung für eine unbestimmte Vielzahl unbestimmter Anwendungssituationen geprägt ist, liegt der Schwerpunkt der Beratung auf der Eröffnung konkreter Handlungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Anwendungszweck.

Für die Abgrenzung zwischen Lehrer und Berater dienen folgende Merkmale und Kriterien: Während beim Lehrer die Intention der eher generellen Wissensvermittlung an ihre Schüler im Vordergrund steht, geht der Berater regelmäßig ganz konkret auf individuelle Probleme seines Auftraggebers ein. Während der Lehrer vorwiegend (aber nicht ausschließlich) mit Gruppen arbeitet, analysiert der Berater aufgrund fachspezifischer Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen typischerweise ein konkretes Problem seines Auftraggebers, um in helfender Absicht spezifische und eher individuelle Ratschläge zu erteilen oder Handlungsoptionen aufzuzeigen, ggf. mit Erläuterung der Vor- und Nachteile.

Handelt es sich um einen Berater, ist darauf zu achten, auch die Rentenversicherungspflicht als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger gem. § 2 Nr. 9 SGB VI zu prüfen.

5. Abgrenzung der Lehrer von Therapeuten

Grundsätzlich steht auch die Bezeichnung „Therapeut“ einer Beurteilung als rentenversicherungspflichtiger Lehrer im Sinne von § 2 Nr. 1 SGB VI nicht entgegen, sofern die lehrenden Inhalte den sachlichen Schwerpunkt der Tätigkeit ausmachen. Falls die Therapeuten überwiegend nicht auf ärztliche An- oder Verordnung tätig sind, können sie somit unter den Rechtsbegriff des Lehrers im Sinne von § 2 Nr. 1 SGB VI fallen.

Allerdings sind folgende Therapeuten regelmäßig nicht als Lehrer im Sinne des § 2 Nr. 1 SGB VI tätig:

  • Atemlehrer, Sprechlehrer und Stimmlehrer, die therapeutisch tätig werden, Krankheitssymptome diagnostizieren sowie entsprechende Behandlungsmaßnahmen erarbeiten und durchführen.
  • Sprachheilpädagogen, die gemäß § 124 SGB V als andere Leistungserbringer im Bereich Sprachtherapie zugelassen sind und sprachbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene therapeutisch behandeln.

Bei beiden Personengruppen stellt der therapeutische Teil regelmäßig den sachlichen Schwerpunkt der Tätigkeit dar. Eine Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 2 SGB VI ist daher nicht in Betracht zu ziehen.

6. Rentenversicherungspflicht selbständiger Erzieher

Neben dem selbständigen Lehrer unterliegen gem. § 2 Nr. 1 SGB VI auch selbständig tätige Erzieher der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Hierzu gehören Personen, deren Tätigkeit dazu bestimmt und darauf gerichtet ist, die körperliche, geistige, seelische und charakterliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu beeinflussen (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2005, B 12 RA 12/04 R).

Grundsätzlich erfolgt die Erziehung von Kindern und Jugendlichen innerhalb ihrer Familie, aber bei Bedarf kann sie auch außerhalb der Familie und in den unterschiedlichsten Erziehungsformen stattfinden. Auch der Begriff „Erzieher“ wird in der Verwaltungspraxis und von der Rechtsprechung der Sozialgerichte weit ausgelegt. Im Rahmen der Prüfung der Versicherungspflicht ist es daher unerheblich, ob der Erzieher eine pädagogische Ausbildung hat, seine Tätigkeit einem geregelten Berufsbild entspricht oder die Erziehung innerhalb eines eigenen Betriebes ausgeübt wird.

Zum Personenkreis der rentenversicherungspflichtigen Erzieher gehören insbesondere Erzieher, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder im Auftrag des Jugendamtes eigenverantwortlich Kinder beziehungsweise Jugendliche erziehen. Dazu gehören regelmäßig Personen, die in Tageseinrichtungen i.S.v. § 22 SGB VIII Kinder und Jugendliche erzieherisch betreuen. Hier geht es insbesondere um Kindergarten, Horte und andere Einrichtungen, in denen sich Kinder und Jugendliche für einen Teil des Tages oder ganztags aufhalten.

Erziehung von Kindern und Jugendlichen

Genauso sieht es Personen aus, die eine eigenverantwortliche Erziehung von Kindern und Jugendlichen in Tagesgruppen übernehmen (§ 32 SGB VIII). Ebenso sind auch solche Personen regelmäßig erzieherisch tätig, wenn sie sich als Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 SGB VIII (Tagesmütter) der Erziehung von Kindern und Jugendlichen widmen oder diese im Rahmen der Heimerziehung aufnehmen (§ 34 SGB VIII). Ebenso Personen, die Kinder und Jugendliche im Rahmen der Vollzeitpflege durch Integration in die eigene Familie aufnehmen und erziehen (§ 33 SGB VIII). Ferner sind auch solche Personen Erzieher, die Jugendlichen im Rahmen der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung zu sozialer Integration und eigenverantwortlicher Lebensführung verhelfen (§ 35 SGB VIII).

7. Rentenversicherungspflicht selbständiger Trainer

Die Deutsche Rentenversicherung beurteilt selbständige Trainer in der Regel als „Lehrer“ und bejaht somit eine Rentenversicherungspflicht trotz selbständiger Tätigkeit, es sei denn, sie beschäftigen mindestens einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer oder verdienen selbst weniger als 450 Euro monatlich. Zur Rentenversicherungspflicht selbständiger Aerobic-Trainer vgl. Urteile des BSG vom 22.06.2005 (B 12 RA 6/04 R) und vom 27.07.2007 (B 12 R 12/06 R).

Ein selbständig tätiger Trainer im Fußball, Handball oder Volleyball unterliegt i.S.v. § 2 Nr. 1 SGB VI der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht, wenn er im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt.

Der sachliche Schwerpunkt seiner Tätigkeit für den Sportverein entspricht nach den vom BSG entwickelten Kriterien mehr der Tätigkeit eines Lehrers und weniger der Tätigkeit eines Beraters. Unter den weit zu verstehenden Begriff des Lehrers fällt die Vermittlung von Allgemeinbildung oder – wie im Fall eines Sporttrainers – speziellen Kenntnissen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten durch Erteilung von theoretischem oder praktischem Unterricht.

LSG NRW, Urteil vom 30.9.2020, L 3 R 305/18

Bei Anwendung der Maßstäbe des Bundessozialgerichts ist ein selbständig tätiger Personal-Trainer, der ausschließlich Einzelkunden betreut, im Wesentlichen beratend tätig und übt daher keine Lehrtätigkeit aus. Nach dem Urteil des SG Osnabrück vom 30.01.2019 (S 1 R 132/17) besteht daher keine Versicherungspflicht des Personaltrainers in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 2 Nr. 1 SGB VI.

Rentenversicherungspflicht selbständiger Lehrer, Erzieher und Trainer