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John D. Rockefeller: Das große Spiel ums Öl beginnt

Kaum ein anderer Name wie der von John D. Rockefeller ist so fest mit dem großen Spiel ums Öl verbunden, das heute nahezu jeden Bereich unseres modernen Lebens dominiert. Doch die Geschichte rund ums Öl beginnt nicht mit John D. Rockefeller selbst, sondern mit einfachen Männern in den ländlichen Gebieten Nordamerikas zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Es war die Zeit, als die Industrielle Revolution gerade erst Fahrt aufnahm und die Welt zunehmend hungriger nach Energie wurde. Bevor Rockefeller die Bühne betrat und die Spielregeln im Geschäft mit dem Öl neu definierte, waren es andere Pioniere, die den Grundstein für das schwarze Gold legten und die ersten Schritte in diesem lukrativen Geschäft machten.

Inhalt:

  1. William Avery Rockefeller alias Dr. Bill Levingston
  2. Samuel M. Kier und die Anfänge der Ölindustrie
  3. George Bissel und die Idee der kommerziellen Ölförderung
  4. Edwin L. Drake und der erste Ölboom
  5. Samuel Van Syckel und der erste Pipeline-Krieg
  6. Die frühen Jahre des John D. Rockefeller
  7. Gründung der Ölraffinerie Rockefeller & Andrews
  8. Gründung der Standard Oil Company
  9. Phase des Wettbewerbs und der Konsolidierung
  10. Gründung der South Improvement Company
  11. Rockefellers Cleveland Massaker 1872
  12. Die Expansion der Standard Oil Company
  13. Übernahme der Empire Transportation Company
  14. Errichtung des Standard Oil Trust

1. William Avery Rockefeller alias Dr. Bill Levingston

Im frühen 19. Jahrhundert, als die Vereinigten Staaten von Amerika noch in den Kinderschuhen steckte, beginnt die Geschichte des Mannes, dessen Lebensweg in vielerlei Hinsicht den Geist dieser turbulenten Zeit verkörpert: William Avery Rockefeller, geboren am 13. November 1810 in Granger, New York. Besser bekannt unter dem Pseudonym Dr. Bill Levingston zog er mit seinem Wagen durch die Dörfer und Städte, stets auf der Suche nach neuen Gelegenheiten und gutgläubigen Menschen, denen er seine angeblichen Wundermittel verkaufen konnte.

Doch die Realität hinter seinen Versprechen war weit weniger glanzvoll. Seine Mixturen namens Seneca Oil und Rock Oil, eher fragwürdige Kombinationen aus Abführmitteln und Petroleum, besaßen keinerlei medizinische Wirkung oder heilende Eigenschaften. Sie waren Placebos, die lediglich die Hoffnungen der Kranken und Leidenden ausnutzte und Dr. Bill Levingston bald den Ruf eines Scharlatans einbrachte.

Mehr Geschäftsmann als Heiler bewegte sich William Avery Rockefeller geschickt in den moralischen Grauzonen des Geschäftslebens und vermittelte diese Prinzipien auch seinen Kindern. Besonders prägend war diese Erziehung für seinen Sohn John D. Rockefeller, der im Juli 1839 als zweites von sechs Kindern geboren wurde. Er zeigte schon früh eine außergewöhnliche Begabung im Umgang mit Zahlen, aber auch eine offensichtliche Gefühlskälte und Skrupellosigkeit.

Von seinem Vater lernte John D. Rockefeller nicht nur die Grundlagen des Handels, sondern auch die weniger ehrenhaften Methoden, die seinen beispiellosen Aufstieg zu einem der reichsten Männer der Geschichte begleitete. Die Geschichte von William Avery Rockefeller ist daher mehr als die Erzählung eines listigen Betrügers; sie ist die das Fundament einer Familie, die auf der Basis des neuen Rohstoffes ein Imperium aufgebaut haben, das die Welt nur selten zuvor gesehen hat.

2. Samuel M. Kier und die Anfänge der Ölindustrie

Samuel M. Kier war ein entscheidender Pionier in der frühen Erdölindustrie und einer der ersten, der Erdöl kommerziell raffinierte. In den 1850er-Jahren entwickelte Kier ein Verfahren zur Destillation von Rohöl zu Kerosin, das als Brennstoff für Lampen verwendet wurde und somit eine sichere und effiziente Beleuchtung ermöglichte. Seine Innovationen und der Bau einer kleinen Erdölraffinerie in Pittsburgh legten den Grundstein für die spätere industrielle Nutzung von Erdöl. Seine Arbeit schuf das Bewusstsein und die Infrastruktur, die notwendig waren, um die Erdölindustrie zu einem zentralen Bestandteil der amerikanischen Wirtschaft zu machen. Dies ebnete den Weg für Unternehmer wie George Bissel und Edwin L. Drake, die den kommerziellen Wert des Rohöls erkannten, und später für John D. Rockefeller, der die Standard Oil Company gründete und die Branche revolutionierte.

3. George Bissel und die Idee der kommerziellen Ölförderung

Der erste Unternehmer, der das volle Potenzial von Erdöl als Beleuchtungsmittel erkannte, war George H. Bissell, ein Anwalt und Geschäftsmann. Mit Weitblick und unternehmerischem Gespür gründete mit zusammen mit weiteren Partnern die Pennsylvania Rock Oil Company, um die Gewinnung und Nutzung der Erdölvorkommen in Pennsylvania kommerziell zu erkunden. Es war das erste Unternehmen dieser Art und begann sofort damit, großflächig Grundstücke in Pennsylvania zu pachten. Bissells visionäre Idee war, dass Erdöl in Kerosin umgewandelt werden konnte, welches als sicherer und effizienter Brennstoff für Lampen dienen würde.

Um die Machbarkeit und das Potenzial von Erdöl als Brennstoff wissenschaftlich zu bestätigen, wandte sich Bissell an Professor Benjamin Silliman von der Yale University. Silliman, ein renommierter Chemiker, führte eine gründliche Analyse des Erdöls durch und veröffentlichte 1855 seinen ersten überzeugenden Bericht. Darin bestätigte er, dass Erdöl in hochwertiges Kerosin destilliert werden konnte. Diese wissenschaftliche Bestätigung eines anerkannten Experten war der Schlüssel, um Investoren von den kommerziellen Möglichkeiten des Erdöls zu überzeugen und die notwendigen finanziellen Mittel für weitere Explorations- und Bohrungsaktivitäten zu sichern.

Zu diesem Zeitpunkt war es Bissells Vision und seine Fähigkeit, wissenschaftliche Expertise mit unternehmerischem Handeln zu verbinden, um so den Grundstein für die moderne Erdölindustrie zu legen. Seine Erkenntnisse führten nicht nur zur effizienten Beleuchtung in Millionen von Haushalten, sondern auch zur Erschließung einer Energiequelle, die die industrielle Entwicklung maßgeblich vorantrieb. George H. Bissell gilt daher zu Recht als einer der Wegbereiter der Erdölindustrie, dessen Weitblick und Entschlossenheit die Welt nachhaltig veränderten.

4. Edwin L. Drake und der erste Ölboom

Im Jahr 1857 hatte John D. Rockefeller gerade seine Ausbildung zum Buchhalter bei Hewitt & Tuttle abgeschlossen. Zur gleichen Zeit trafen sich in New Haven, Connecticut, zwei Männer, um die visionäre Idee von George H. Bissel in die Realität umzusetzen. Einer der beiden war Edwin L. Drake, der andere der Banker J.M. Townsend, als Vertreter der Pennsylvania Rock Oil Company.

Als Präsident der neu gegründeten Seneca Oil Company, mit einem Jahresgehalt von 1.000 Dollar, nahm Drake die Herausforderung an. Vor Ort erkannte er bald, dass das Sammeln von Öl von der Oberfläche ineffizient war. Inspiriert von der Technik beim Bohren von Salzbrunnen, begann er daher im Mai 1858 mit der ersten Bohrung nach Öl, scheiterte jedoch wegen des instabilen Untergrunds. Die Lösung für sein Problem war die Verwendung von Rohrabschnitten, um den Boden zu stabilisieren. Am 27. August 1859 stieß er so in einer Tiefe von etwa 69 Fuß (ca. 21 Meter) auf Ölvorkommen und löste damit den ersten Öl-Boom in Pennsylvania aus.

Trotz dieses Durchbruchs blieb Drake der geschäftliche Erfolg verwehrt, da er versäumt hatte, seine revolutionäre Bohrtechnik zu patentieren. Viele weitere Bohrteams aus Ohio, New York und Pennsylvania folgten ihm nach Titusville. Das Öl schoss bald in rauen Mengen aus dem Boden schoss. Dies führte jedoch zu einem massiven Preisverfall: Der Preis für ein Barrel Öl sank von 20 Dollar im Januar 1860 auf nur noch 10 Cents Ende 1861.

Für Edwin L. Drake bedeutete dieser Preisverfall das Ende seiner geschäftlichen Träume. Nach vielen Jahren in Armut gewährte ihm der Staat Pennsylvania eine Pension bis zu seinem Lebensende. Im Jahr 1901 errichtete die von John D. Rockefeller gegründete Standard Oil Company ein ansehnliches Grab für ihn in Titusville. Der ursprüngliche Standort der Bohrung ist nun Teil des Drake Well Museums, das an den Vater der Ölindustrie erinnert.

5. Samuel Van Syckel und der erste Pipeline-Krieg

In wenigen Jahren nach der ersten erfolgreichen Bohrung in Titusville verwandelte sich der einstmals ruhige, landwirtschaftlich geprägte US-Bundesstaat Pennsylvania in eine pulsierende Ölregion. Projektgesellschaften pachteten großflächige Grundstücke, Städte entstanden aus dem Nichts, und ein Wald aus Schlagbohrtürmen bedeckte bald das Land, während die Bäume für die Dampfmaschinen abgeholzt wurden. Der erste Ölboom war angebrochen.

Eine der größten Herausforderungen in dieser Zeit bestand im Transport des geförderten Öls. Anfangs wurde das Öl in Fässern von sogenannten Teamsters, den Fuhrleuten der damaligen Zeit, mit Pferdewagen transportiert. Allerdings war Transport auf diese Art schwierig und kostspielig, da diese ihre Monopolstellung ausnutzen und abenteuerliche Preise für den Transport des Ölfässer verlangten. Die Transportkosten schmälerten die Gewinne aller Beteiligten, insbesondere der Ölförderer und Händler.

Einer der Betroffenen war der Unternehmer Samuel Van Syckel, der sich mit der Errichtung der ersten Pipeline von den Bohrstellen zu den Eisenbahnstationen im Jahr 1865 für immer einen Namen machte. Diese Pipeline war wesentlich effizienter als der traditionelle Transport mit Pferdewagen und konnte große Mengen Öl zu geringeren Kosten befördern. Allerdings stieß die Pipeline auf heftigen Widerstand der Fuhrleute, die ihre Existenzgrundlage bedroht sahen.

Dieser Konflikt eskalierte zu einem regelrechten Pipeline-Krieg, währenddessen die Teamsters Sabotageakte gegen die Pipeline verübten, indem sie Teile der Leitung mit Äxten und Ketten trennten oder Öltanks in Brand setzen. Bewaffnete Auseinandersetzungen waren an der Tagesordnung und Van Syckel sah sich gezwungen, seine Pipeline mit bewaffneten Wachleuten zu schützen. Letztendlich obsiegte Van Syckel dank der Hilfe des Gouverneurs im April 1866 und seine Pipeline markierte den Beginn einer neuen Ära, da der effiziente Transport von Öl durch Pipelines zum Standard wurde und die Industrie revolutionierte.

6. Die frühen Jahre des John D. Rockefeller

Inmitten dieser rasanten Entwicklung der Ölindustrie wuchs der junge, aufstrebende Unternehmer und Investor mit einem guten Gespür für Zahlen heran: John D. Rockefeller. Angesichts der enormen Gewinnaussichten im Ölbusiness gründete er 1863 zusammen mit Maurice B. Clark und dem Chemiker Samuel Andrews eine Ölraffinerie in Cleveland, Ohio. Diese Unternehmensgründung war ein Vorläufer dessen, was später als Standard Oil eines der mächtigsten und einflussreichsten Unternehmen in der Geschichte der USA werden sollte.

Cleveland spielte schon in dieser Zeit eine zentrale Rolle in der aufstrebenden Ölindustrie. Aufgrund seiner strategischen Lage mit Zugang zu den Großen Seen und einer guten Anbindung an das Eisenbahnnetz wurde die Stadt innerhalb weniger Jahre ein wichtiges Zentrum für Ölraffinerien und den Transport von Ölderivaten. Die richtige Standortwahl für die Unternehmensgründung war daher einer der ersten strategischen Schachzüge von Rockefeller, der die logistischen Vorteile der Stadt richtig erkannte.

Das neu gegründete Unternehmen entwickelte sich zu einem vielversprechenden Akteur in der aufkommenden Ölindustrie, insbesondere im Bereich der Ölraffination, in dem Samuel Andrews als Chemiker eine Schlüsselrolle spielte. Allerdings erkannte Rockefeller früher als viele andere Unternehmer die Möglichkeiten des Ölgeschäfts und die Notwendigkeit, die Kontrolle über weitere Teile der Produktionskette zu erlangen – von der Förderung bis zum Vertrieb. Seine Vision war es, ein vertikal integriertes Unternehmen zu schaffen, alle Mittelsmänner zu umgehen und die Preise für Ölderivate zu dominieren.

7. Gründung der Ölraffinerie Rockefeller & Andrews

Im Jahr 1865 unternahm Rockefeller einen entscheidenden Schritt zur Realisierung dieser Vision, indem er die Anteile seiner Partner für 72.500 US-Dollar übernahm. Dies war ein mutiger Zug, der es ihm ermöglichte, die Firma neu zu organisieren und eine engere Partnerschaft mit dem Chemiker Samuel Andrews einzugehen, die unter dem Namen Rockefeller & Andrews firmierte. Die Phase zwischen 1863 und 1865 markierte somit den Übergang von einem Start-up zu einem Unternehmen, das bereit war, die Ölindustrie radikal zu verändern und letztendlich zu dominieren.

Rockefeller und Andrews konzentrierten sich fortan auf den Ausbau ihrer Raffineriekapazitäten und die Optimierung der Produktionsprozesse. Das Unternehmen entwickelte sich zu einer der größten Ölraffinerien in Cleveland, Ohio. Rockefeller war unter anderem für den Einkauf der Rohstoffe zuständig und die Beschaffung erfolgte stets direkt an der Quelle. Er hatte großen Spaß an Preisverhandlungen und es bereitete ihm sichtliches Vergnügen, wenn er das Öl unter den Marktpreisen einkaufen konnte.

Dank strategischer Partnerschaften mit Eisenbahngesellschaften und anderen Unternehmen erlangte das Unternehmen Wettbewerbsvorteile, die es erlaubten, ihre Produkte günstiger als andere Konkurrenten anzubieten. Durch eine Reihe von Akquisitionen und den Aufbau eines Netzwerks verbundener Unternehmen konnte Rockefeller & Andrews schließlich die Kontrolle über einen bedeutenden Teil der Ölraffinerien in der Region übernehmen.

8. Gründung der Standard Oil Company

Die wirtschaftlichen Erfolge und das schnelle Wachstum von Rockefeller & Andrews führten zur Gründung der Standard Oil Company, die am 10. Januar 1870 mit einem Kapital von 1.000.000 US-Dollar errichtet wurde. Als Unternehmensgegenstand definierten die Gründer die Produktion, den Transport, die Raffination von Erdöl sowie den Vertrieb der hieraus erzeugten Produkte.

Neben den ursprünglichen Gründungsgesellschaftern John D. Rockefeller und Samuel Andrews waren auch sein Bruder William A. Rockefeller sowie weitere Schlüsselfiguren an der Gründung beteiligt. Ein wichtiger Geschäftspartner Rockefellers war Henry Morrison Flagler, der für die Finanzierung und das Management zuständig war und eine zentrale Rolle in der Expansion von Standard Oil spielte. Ein großer Teil der Wachstumsfinanzierung stammte von dem Investor Stephen V. Harkness.

9. Phase des Wettbewerbs und der Konsolidierung

In den Jahren ab 1865 erlebte die amerikanische Ölindustrie eine Phase intensiven Wettbewerbs und bedeutender technologischer Entwicklungen und Innovationen, insbesondere bei der Weiterverarbeitung des Rohöls. Seit dem Ölboom in den US-Bundesstaaten Pennsylvania und Ohio entstanden immer neue Raffinerien in der Region um den Oil Creek, aber auch in Städten wie Cleveland, New York und Philadelphia, die teilweise mit Dumpingpreisen erbittert um Marktanteile kämpften. Zudem entwickelten die Raffinerien immer bessere Verfahren, die es ihnen erlaubten, größere Mengen Öl effizienter und kostengünstiger zu verarbeiten. Allerdings führte dies zu einem Überangebot an Raffineriekapazitäten und infolgedessen zu einem Preisverfall bei den Ölderivaten, die der heimische Markt in der Kürze der Zeit nicht mehr aufnehmen konnte.

Parallel dazu entwickelte sich auch unter den Eisenbahngesellschaften ein rigoroser Wettbewerb. Eisenbahngesellschaften wie die Pennsylvania Railroad, Erie Railroad und die New York Central Railroad konkurrierten darum, das Rohöl aus den Fördergebieten zu den Raffinerien in den Städten zu transportieren. Wie bei den Raffinerien gab es auch unter den Eisenbahngesellschaften zunehmend Preiskämpfe, die mit zunehmender Dauer zu sinkenden Margen und finanziellen Schwierigkeiten führten. Teilweise waren die Eisenbahngesellschaften sogar gezwungen, Rabatte und Rückvergütungen anzubieten, um sich die wichtigen Frachtaufträge der Raffinerien zu sichern.

Während der inländische Markt für Ölderivate in den USA weitgehend gesättigt war, änderte sich noch dazu die Nachfrage aus dem Ausland, die zunehmend Rohöl bevorzugten, um dieses vor Ort selbst zu raffinieren. Dies erzeugte zusätzlichen Druck auf die Raffinerien in den USA und die Transportgesellschaften, die ohnehin schon mit geringen Margen zu kämpfen hatten.

10. Gründung der South Improvement Company

Im November 1871 traf sich in New York eine Gruppe von Geschäftsleuten, die die Interessen der Eisenbahngesellschaften und der Ölraffinerien vertraten, um einen Ausweg aus ihrer Notlage zu besprechen. Einer dieser Geschäftsleute war John D. Rockefeller, der insbesondere die Interessen der Standard Oil Company vertrat. Die Idee dieses Treffens war die Bildung einer geheimen Allianz, um sowohl die Überkapazitäten der Raffinerien abzubauen als auch die Frachtraten der Eisenbahngesellschaften auf ein profitables Niveau zu bringen. Das richtige Mittel zum Zweck sollte die South Improvement Company (SIC) sein, deren Entstehung bis heute nicht eindeutig geklärt werden konnte, aber über eine umfassende Transporterlaubnis verfügte.

Ein Teil des Plans bestand darin, dass die Eisenbahngesellschaften ihre Frachtraten für Rohöl erhöhen und nur den beteiligten Raffinerien im Gegenzug Rückvergütungen zahlen sollten. Damit war sichergestellt, dass die an der Allianz beteiligten Raffinerien von den Rückvergütungen profitierten, während die unabhängigen Raffinerien höhere Transportkosten zu tragen hatten. Diese geheimen Absprachen sollten die unabhängigen Raffinerien wirtschaftlich benachteiligen und zwingen, entweder ihre Preise zu erhöhen oder den Markt zu verlassen.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Allianz war das Versprechen der Eisenbahngesellschaften, kein Rohöl für den Export ins Ausland zu transportieren. Dies sollte die heimischen Raffinerien stärken und sicherzustellen, dass das Rohöl in den USA raffiniert und nur die daraus resultierenden Produkte verkauft würden, um den heimischen Markt zu kontrollieren und die Preise zu stabilisieren.

11. Rockefellers Cleveland Massaker 1872

Als Nachrichten über den geheimen Deal zwischen diversen Raffinerien und den Eisenbahngesellschaften an die Zeitungen in Pennsylvania durchsickerten, waren die unabhängigen Ölhändler und Raffinerien schockiert. Die 14-jährige Ida Tarbell erlebte die aufstandsähnlichen Reaktionen hautnah und beschrieb diese 30 Jahre später in ihrem Buch „The History of the Standard Oil Company“. Wochenlang verließen die Ölmänner ihren Arbeitsplatz und zogen von Stadt zu Stadt, entschlossen, das „Monster South Improvement Company“ und die „40 Diebe“ zu zerstören. Ihre Stimmung zeigte sich in den Parolen auf ihren Bannern, die sie durch die Straßen trugen: Nieder mit den Verschwörern; Keine Kompromisse!

Der öffentliche Druck war so hoch, dass der South Improvement Company im April 1872 die Betriebserlaubnis entzogen wurde, noch bevor sie eine einzige Transaktion durchgeführt hatte. Die geheime Allianz war aufgeflogen und die beteiligten Unternehmen waren bloßgestellt. Aber John D. Rockefeller, dem es gleichgültig war, dass er als Bösewicht in dem Drama dargestellt wurde, ging als großer Gewinner hervor. Wie sich später herausstellte, hatte Rockefeller „seinen Plan“ bereits vor dem Scheitern der South Improvement Company umgesetzt.

In einem Zeitraum von weniger als sechs Wochen zwischen Februar und März 1872 hatte er die South Improvement Company genutzt, um mit einer ausgeklügelten Palette von Taktiken und Verhandlungsstrategien 22 seiner 26 Konkurrenten in Cleveland zu übernehmen. Die Strategie war einfach und kompromisslos. Rockefeller stellte die Eigentümer der anderen Raffinerien vor die Wahl: Entweder sie willigen in den Verkauf ihrer Betriebe ein oder er würde sie alsbald in den Bankrott treiben. Mit diesem Manöver gelang es Rockefeller, Standard Oil schlagartig zum dominanten Player unter den Raffinerien in Cleveland zu machen, der ein Fünftel der gesamten Raffineriekapazitäten in den USA kontrollierte.

12. Die Expansion der Standard Oil Company

Das Cleveland-Massaker im Frühjahr 1872 war jedoch nur der Ausgangspunkt für eine Serie strategischer Übernahmen weiterer Raffinerien in den damaligen Ölzentren: Oil Creek, New York, Pittsburg, Philadelphia und Boston. Das Ziel war ebenso klar wie ehrgeizig: Standard Oil musste die dominierende Macht in der gesamten amerikanischen Ölindustrie werden.

Seine ersten Verhandlungspartner William G. Warden aus Philadelphia und Charles Lockhart aus Pittsburgh. Beide nahmen im Sommer 1874 Rockefellers Angebot an und verkauften ihre Raffinerien an Standard Oil. Der Deal musste geheim bleiben und beide erhielten im Gegenzug Aktien von Standard Oil, wodurch sie an den zukünftigen Erfolgen des Unternehmens teilhaben konnten. Im Herbst 1874 stimmte auch Charles Pratt aus New York Rockefellers Angebot zu und verkaufte seine Raffinerie an Standard Oil. Der Deal blieb wieder geheim und die Eigentümer Charles Pratt und Henry H. Rogers erhielten im Gegenzug ebenfalls Aktien von Standard Oil. Nur wenige Jahre später übernahm Standard Oil 1879 die Vacuum Oil Company, die für ihre innovativen Schmierstoffe bekannt war. Mit dieser Übernahme konnte Standard Oil das Portfolio der Produkte erheblich erweitern seine Position im Markt für Schmierstoffe ausweiten, was zur weiteren Diversifizierung beitrug.

Kontinuierlich baute Rockefeller die Standard Oil Company zu einem Öl-Imperium aus, um mit harten Verhandlungsmethoden einerseits die Produktions- und Transportkosten zu senken, aber auch die Effizienz der Raffinerien zu steigern. Ein Mittel zum Zweck war die Gründung der National Refiners Association im März 1875, eine Vereinigung führender Raffineriebetreiber. Auch mit dieser Organisation verfolgte Rockefeller das erstrangige Ziel, Wettbewerber zu übernehmen oder aus dem Markt zu verdrängen.

13. Übernahme der Empire Transportation Company

In dieser Phase der Expansion der Standard Oil Company gab es nur einen ernsthaften Widersacher, der sich der Macht von Rockefellers Imperium nicht beugen wollte: die Empire Transportation Company, die im Jahr 1865 von Thomas A. Scott, dem Präsidenten der mächtigen Pennsylvania Railroad, als Tochtergesellschaft gegründet wurde. Zu Beginn ausschließlich ein Transportunternehmen für Rohöl, weitete die Empire Transportation Company ihre Aktivitäten 1876 auf die Raffinierung von Öl aus und stellte damit eine direkte Bedrohung für Standard Oil dar.

Rockefeller erkannte die Bedrohung, die dieser strategischer Einstieg des Transportunternehmens in das Raffineriegeschäft mit sich brachte. Er reagierte prompt mit einer Reihe von Maßnahmen, die darauf abzielten, die Empire Transportation Company zu schwächen und ihre Marktanteile zu übernehmen. Wieder nutzte er seine Beziehungen zu den anderen großen Eisenbahngesellschaften, um geheime Absprachen und Rückvergütungen zu arrangieren, die Standard Oil erhebliche Kostenvorteile verschafften.

Der Konflikt zwischen Standard Oil und der Empire Transportation Company eskalierte in den Jahren 1877 und 1878, als Rockefeller seine Bemühungen verstärkte, die Empire Transportation Company zu übernehmen. Mit einem aggressiven Preiskrieg und strategischen Manövern gelang es Rockefeller schließlich, die Empire Transportation Company in die Knie zu zwingen. Letztendlich musste die Empire Transportation Company ihr Raffineriegeschäft aufgeben und Teile des Unternehmens an Standard Oil verkaufen. Für Rockefeller war diese Übernahme ein bedeutender Erfolg, der die Marktposition von Standard Oil weiter festigte und sozusagen den Weg zur Monopolstellung in Nordamerika ebnete.

Der Konflikt mit der Empire Transportation Company zeigte die unerschütterliche Entschlossenheit und die strategische Brillanz von Rockefeller, seine Konkurrenten systematisch zu eliminieren und seine Vision einer monopolartigen Kontrolle über die Ölindustrie zu verwirklichen.

14. Errichtung des Standard Oil Trust

Im späten 19. Jahrhundert erließen einige US-Bundesstaaten Gesetze, um die Aktivitäten von auswärtigen Unternehmen einzuschränken und diese zu zwingen, sich im jeweiligen Staat zu registrieren und dort Steuern zu zahlen. Während einige Bundesstaaten Sondersteuern für auswärtige Unternehmen erhoben, erließen andere Bundesstaaten Verbote, Aktien von Unternehmen in anderen Bundesstaaten zu halten.

Um diese unterschiedlichen Einschränkungen zu umgehen und ihre wachsende Unternehmensstruktur weiterhin effektiv zu verwalten und zu kontrollieren, organisierte die 1870 in Ohio gegründete Standard Oil Company (auch bekannt als Standard Oil of Ohio) ihre verbundenen Unternehmen und Tochtergesellschaften im Jahr 1882 unter einer Gruppe von Treuhändern, bekannt als der Standard Oil Trust. Dazu gehörten die Standard Oil Company of New York (SOCONY), die Standard Oil Company of Indiana, die Standard Oil Company of California (SOCAL) und die Continental Oil Company (CONOCO).

Durch die geheime Vereinbarung im Jahr 1882 übertrugen die Aktionäre dieser Unternehmen ihre Anteile an neun Treuhänder: John D. Rockefeller, William Rockefeller, Oliver H. Payne, Charles Pratt, Henry Flagler, John D. Archbold, William G. Warden, Jabez Bostwick und Benjamin Brewster. Damit war weiterhin eine zentralisierte Kontrolle und Verwaltung möglich, ohne direkt gegen die spezifischen Vorschriften für Holdinggesellschaften in den verschiedenen US-Bundesstaaten zu verstoßen. Die Treuhänder hielten die Aktien im Namen der Aktionäre, was die formalen Beschränkungen umging und gleichzeitig eine einheitliche Unternehmensführung ermöglichte.

Dieser Artikel ist Teil meines Projekts „Das große Spiel ums Öl“.

John D. Rockefeller: Das große Spiel ums Öl beginnt
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