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Verdeckte Sacheinlage

Die verdeckte Sacheinlage ist ein Begriff aus dem Gesellschaftsrecht, der insbesondere im Rahmen der GmbH-Gründung und Kapitalerhöhung eine hohe Bedeutung hat. Die Problematik der verdeckten Sacheinlage tritt auf, wenn Gesellschafter einer GmbH formal eine Bareinlage leisten, aber bei wirtschaftlicher Betrachtung tatsächlich eine Sacheinlage in das Gesellschaftsvermögen einbringen. Den Tatbestand und die Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage hat der Gesetzgeber mit der GmbH-Reform 2008 in § 19 Abs. 4 GmbHG reguliert.

Inhalt:

  1. Rechtliche Grundlagen
  2. Umgehung der Vorschriften zur Sachgründung
  3. Definition der verdeckten Sacheinlage
  4. Typische Fälle der verdeckten Sacheinlage
  5. Abgrenzung von den Fällen des Hin- und Herzahlens

1. Rechtliche Grundlagen

Für die Gründung einer GmbH ist gem. § 5 Abs. 1 GmbHG ein Mindeststammkapital von 25.000 Euro erforderlich, welches durch Bareinlagen und/oder Sacheinlagen der Gesellschafter aufgebracht werden kann. Im Unterschied zur UG (haftungsbeschränkt), bei der das Stammkapital gem. § 5a Abs. 2 S. 2 GmbHG vollständig durch Bareinlagen der Gesellschafter aufgebracht werden muss, sind bei einer GmbH auch Sacheinlagen zur Deckung des Stammkapitals zulässig. Die Regelungen im GmbH-Gesetz gehen allerdings davon aus, dass die Gesellschafter grundsätzlich Bareinlagen leisten, welche regelmäßig durch Überweisung auf ein Geschäftskonto der GmbH erfolgen.

Natürlich gibt es Szenarien, in denen das wirtschaftliche Interesse der Gesellschafter groß ist, anstatt von Geld andere Vermögensgegenstände zur Gründung der GmbH oder zur Finanzierung einer Kapitalerhöhung einzusetzen. Solche Sacheinlagen gelten jedoch nur dann als schuldbefreiend, wenn diese im Gesellschaftsvertrag oder im Rahmen einer Kapitalerhöhung explizit vereinbart werden. Zudem müssen sie gemäß den gesetzlichen Vorschriften vollständig in das Vermögen der GmbH eingebracht werden (§§ 5 Abs. 4, 56 GmbHG). Die Sachgründung wird daher in der Praxis oft als umständlich, zeit- und kostenintensiv wahrgenommen, insbesondere aufgrund der Notwendigkeit einer Offenlegung und Bewertung der Sacheinlagen und der registergerichtlichen Kontrolle. Zudem besteht das Risiko der Differenzhaftung gemäß § 19 Abs. 4 GmbHG. Aus Sicht der Gesellschafter gilt die Sachgründung einer GmbH als unattraktiv.

2. Umgehung der Vorschriften zur Sachgründung

Im GmbH-Recht sind Sacheinlagen der Gesellschafter zur Kapitalaufbringung grundsätzlich zulässig. Sie sie müssen jedoch bestimmten formalen Anforderungen genügen und dürfen insbesondere nicht überbewertet sein.

Das führt dazu, dass GmbH-Gründer in bestimmten Szenarien versucht sind, die Vorschriften zur Sachgründung zu umgehen. Dies geschieht dann in der Weise, dass sie eine schnelle und unkomplizierte Bargründung vereinbaren, um dann die entsprechenden Vermögensgegenstände unter Umgehung der Vorschriften zur Sachgründung später an die GmbH verkaufen. Dies kann insbesondere dann problematisch sein, wenn der Wert der verdeckt eingebrachten Sachgegenstände nicht dem Nennbetrag der dafür übernommenen Geschäftsanteile entspricht und dadurch Gläubigerinteressen beeinträchtigt werden. Um solche Situationen zu regulieren, sieht das GmbH-Gesetz in § 19 Abs. 4 GmbHG spezielle Regelungen vor, die auch für eine Kapitalerhöhung nach § 56 Abs. 2 GmbHG gelten, wo sie in der Praxis oft noch relevanter sind.

Bei verdeckten Sacheinlagen umgehen die Gesellschafter die Regeln zur Sachgründung, was gem. § 19 Abs. 4 GmbHG zu einer Differenzhaftung führen kann. Die Gesellschafter der GmbH haben im Gesellschaftsvertrag zwar nach außen eine Bargründung vereinbart, aber bei wirtschaftlicher Betrachtung der Transaktionen handelt es sich um Sacheinlagen. Diese werden zwar seit der GmbH-Reform 2008 auf geschuldete Bareinlagen angerechnet, aber die Beweislast für die Werthaltigkeit der Sacheinlagen trifft den Gesellschafter (§ 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG).

3. Definition der verdeckten Sacheinlage

Den Begriff der „verdeckten Sacheinlage“ hat der BGH in einer Reihe von Urteilen herausgearbeitet und bejaht, wenn die gesetzlichen Regeln für Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage beschlossen/vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage getroffenen Verwendungsabsprache einen Sachwert erhalten soll. Als Beispiele dienen die Urteile des BGH vom 09.07.2007 (II ZR 62/06), vom 11.02.2008 (II ZR 171/06) oder vom 04.03.1996 (II ZR 89/95), um nur einige zu nennen.

Diese vom BGH entwickelte Definition der verdeckten Sacheinlage hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 übernommen. Die jetzige Legaldefinition in § 19 Abs. 4 S. 1 GmbHG besagt, dass eine verdeckte Sacheinlage dann vorliegt, „wenn die Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtung und auf Grund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten ist“. Mit anderen Worten liegt eine verdeckte Sacheinlage vor, wenn ein Gesellschafter Geld in das Vermögen der GmbH einbringt, das dann dazu verwendet wird, ein Wirtschaftsgut von ihm oder einem Dritten zu erwerben. Diese Transaktion erfolgt typischerweise zu einem überhöhten Preis, wodurch der Gesellschafter indirekt eine Sacheinlage in die Gesellschaft einbringt.

Ein wesentlicher Aspekt der verdeckten Sacheinlage ist die zwingende Voraussetzung, dass die verdeckt eingebrachte Leistung einen einlagefähigen Sachwert darstellen muss (BGH, Urteil vom 12.4.2011, II ZR 17/10; BGH v. 16.2.2009, II ZR 120/07; BGH v. 1.2.2010, II ZR 173/08). Dienstleistungen können infolgedessen nicht als verdeckte Sacheinlagen angesehen werden. Somit können Vergütungen an geschäftsführende Gesellschafter aus Mitteln der Bareinlage gezahlt werden, ohne gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen.

4. Typische Fälle der verdeckten Sacheinlage und Abgrenzung

In der Praxis tauchen verdeckte Sacheinlagen häufig in folgenden Konstellationen auf: Bareinlagen in Kombination mit einem anschließenden Kaufvertrag und Verrechnung der Einlageforderung mit einer Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter.

Zur Verdeutlichung dieser Fallgruppen dienen folgende Beispiele:

Ein Gesellschafter übernimmt bei der Gründung einer GmbH Geschäftsanteile zum Nennwert von 100.000 Euro. Den Gegenwert bringt er nach außen hin als Bareinlage durch Überweisung auf das Geschäftskonto der GmbH ein. Der Geschäftsführer der GmbH verwendet diese 100.000 Euro wie im Vorhinein abgesprochen, um ein Grundstück (oder ein Fahrzeug) von diesem Gesellschafter zu kaufen, das tatsächlich nur einen Wert von 50.000 Euro hat. Der bar eingelegte Geldbetrag fließt auf diese Weise wieder an den Gesellschafter zurück. Wirtschaftlich betrachtet hat der Gesellschafter ein Grundstück (oder ein Fahrzeug) in die GmbH eingebracht.

Etwas komplexer ist der Sachverhalt, über den der BGH mit Urteil vom 19.01.2016 (II ZR 61/15) entschieden hat:

Die Gesellschafter einer GmbH beschließen eine Stammkapitalerhöhung um 150.000 Euro, wobei der Gesellschafter A einen Geschäftsanteil zum Nennwert von 100.000 Euro übernehmen soll. Davor erfolgen jedoch zwei Überweisungen von dem Konto der GmbH an den Gesellschafter A in Höhe von jeweils 50.000 Euro, um einen Bereicherungsanspruch aus einer fehlgeschlagenen vorangegangenen Kapitalerhöhung auszugleichen. Der Gesamtbetrag fließt schließlich wieder an die GmbH zurück mit dem Verwendungszweck „Einlage A w. Kapitalerhöhung“.

Verrechnung der Einlageforderung mit einer Alt-Verbindlichkeit

In diesem Beispiel sieht es auf den ersten Blick so aus, als hätte der Gesellschafter A eine Bareinlage im Rahmen der Kapitalerhöhung erbracht. Bei näherer Betrachtung stellte der BGH jedoch fest, dass es sich tatsächlich um eine verdeckte Sacheinlage handelte.

Eine verdeckte Sacheinlage einer Altforderung des Gesellschafters liegt sowohl dann vor, wenn erst die geschuldete Bareinlage eingezahlt und sodann zur Tilgung der Gesellschafterforderung zurückgezahlt wird, als auch dann, wenn in umgekehrter Reihenfolge erst die Gesellschafterforderung getilgt und der erhaltene Betrag sodann ganz oder teilweise als Bareinlage zurückgezahlt wird.

BGH, Urteil vom 19.01.2016 (II ZR 61/15)

Die Rückzahlungsforderung des Gesellschafters A aus ungerechtfertiger Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 BGB hätte im Wege einer Sacheinlage eingebracht werden können, was aber weder vereinbart war noch gegenüber dem Registergericht offengelegt wurde. Bei der anschließenden Überweisung auf das Konto der GmbH mit dem Verwendungszweck „Einlage A w. Kapitalerhöhung“ handelte es sich daher um eine verdeckte Sacheinlage, die ihn gem. § 19 Abs. 4 S. 1 GmbHG nicht von seiner Einlageverpflichtung befreite. Allerdings ist der Wert der eingebrachten Bereicherungsforderung gem. § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG auf die fortbestehende Einlagepflicht anzurechnen, so dass die Einlageverbindlichkeit durch Anrechnung ganz oder teilweise erloschen sein kann.

5. Abgrenzung von den Fällen des Hin- und Herzahlens

Die Fallgruppe des „Hin- und Herzahlens“ ist in der Praxis häufig anzutreffen und wird oft mit der verdeckten Sacheinlage verwechselt, weil es dem grundlegenden Szenario der verdeckten Sacheinlage ähnlich ist. Es handelt sich jedoch um unterschiedliche Szenarien, die voneinander abzugrenzen sind.

Beim Hin- und Herzahlen erbringt ein Gesellschafter seine Bareinlage zunächst korrekt durch Überweisung eines Geldbetrages auf das Konto der GmbH, aber die Zahlung fließt dann an ihn selbst oder einen Dritten wieder zurück, oft in Form eines Darlehens. Während die Gesellschafter bei der verdeckten Sacheinlage im Vorhinein die Verwendung der Bareinlage für den Kauf eines Vermögensgegenstandes planen, ist dies beim Hin- und Herzahlen nicht der Fall. Der Zweck der Rückzahlung ist hier nicht der Erwerb eines Vermögensgegenstandes, sondern in den meisten Fällen ein Darlehen an den Gesellschafter oder ein nahestehendes Unternehmen.

Seit der GmbH-Reform 2008 sind die Fälle des „Hin- und Herzahlens“ in § 19 Abs. 5 GmbHG reguliert. Allerdings betrifft diese Regelung nicht alle Fälle gegenläufiger Zahlungen zwischen Gesellschafter und GmbH, sondern nur solche, bei denen die GmbH mit der Rückzahlung an den Gesellschafter einen vollwertigen und liquiden Anspruch gegen den Gesellschafter erwirbt (BGH, Beschluss vom 17.09.2013, II ZR 142/12).

Ein Beispiel: Ein Gesellschafter zahlt 100.000 Euro mit dem Verwendungszweck „Kapitaleinlage“ auf das Konto der GmbH ein. Nach Eintragung der GmbH im Handelsregister erfolgt auf Veranlassung des Geschäftsführers eine Rückzahlung der 100.000 Euro an den Gesellschafter, wobei als Grundlage ein Darlehensvertrag dient und auch im Verwendungszweck „Darlehen“ angegeben wird.

Darlegungs- und Beweispflicht der Gesellschafter

In allen Fällen ist grundsätzlich der Gesellschafter der GmbH darlegungs- und beweispflichtig, dass er die Einlage vollständig erbracht hat (§§ 19 Abs. 1 GmbHG, 362 BGB). Das gilt im Grundsatz auch dann, wenn ein längerer Zeitraum seit der behaupteten Bareinlage vergangen ist.

Ist die Einzahlung der Bareinlage jedoch unstreitig oder kann der Gesellschafter einen entsprechenden Beweis liefern, ist jedenfall dann von der Erfüllung der Einlageschuld auszugehen sei, solange keine konkreten Anhaltspunkte dafür dargetan sind, dass die Geschäftsführer daran gehindert waren, über den eingezahlten Betrag zu verfügen.

BGH, Urteil vom 3.12.1990 (II ZR 215/89)

Beim „Hin- und Herzahlen“ einer Bareinlage leistet der Gesellschafter im Sinne der Kapitalaufbringung nichts. Das gilt auch dann, wenn die
„Herzahlung“ als „Darlehen“ bezeichnet wird.

Nach der Rechtsprechung des BGH tilgt ein Hin- und Herzahlen des Einlagebetrages in geringem zeitlichem Abstand die Einlageschuld nicht, weil in solchem Fall nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Leistung zur freien Verfügung der Gesellschaft gestanden hat (§ 54 Abs. 3 S. 1 AktG; § 8 Abs. 2 GmbHG).

Das gilt auch dann, wenn die Rückzahlung der Einlage als „Darlehensgewährung“ deklariert wird; andernfalls könnte die prinzipiell unverzichtbare Einlageforderung – ohne deren endgültige Erfüllung – durch eine schwächere Darlehensforderung ersetzt werden,
was auch dem Sinn und Zweck des § 66 Abs. 1 S. 1 AktG (§ 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG) widerspräche. Wegen des Verstoßes gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften ist eine solche Darlehensabrede unwirksam.

Erst mit der Zahlung auf die vermeintliche „Darlehensschuld“ erfüllt der Gesellschafter seine offene Einlageschuld.

Verdeckte Sacheinlage