Menü

Das große Spiel ums Öl: Anfänge der Ölförderung in Persien

Die Ölförderung im Mittleren Osten begann im frühen 20. Jahrhundert, als William Knox D’Arcy und die britische Burmah Oil Company im Mai 1908 nach langjährigen und kostenintensiven Erkundungen das erste große Ölfeld in Masjed Soleyman im heutigen Iran erschließen konnte. Dies war ein wichtiger Durchbruch für die britische Regierung, welche die strategische Bedeutung eigener Ölreserven frühzeitig erkannt hatte. Es folgte die Gründung der Anglo-Persian Oil Company (APOC) im April 1909, deren Leitung dem Unternehmer William Knox D`Arcy übertragen wurde.

Inhalt:

  1. Ausgangslage zu Beginn des 20. Jahrhunderts
  2. Die Russische Revolution und der Zusammenbruch der Ölförderung in Baku
  3. Die britische Burmah Oil Company findet Öl in Persien
  4. Gründung der Anglo-Persian Oil Company (APOC)

1. Ausgangslage zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts führten die industrielle Entwicklung und die zunehmende Massenproduktion des Automobils zu einem sprunghaften Anstieg des Bedarfs nach Ölprodukten wie Benzin und Schmierstoffen. Insbesondere in Deutschland entwickelte sich eine florierende Automobilindustrie, angeführt von namhaften Erfindern wie Carl Benz, Gottlieb Daimler, Rudolf Diesel und Robert Bosch. Parallel dazu formte sich gerade eine aufstrebende Chemie- und Elektroindustrie, die Deutschlands Position als führende Industrienation auf dem Europäischen Kontinent untermauerte. Allerdings verstärkte sie auch die Abhängigkeit von Öl.

Gleichzeitig begannen die führenden Seemächte wie die Royal Navy und die Deutsche Marine, ihre Flotten von Kohle- auf Ölbetrieb umzustellen. Diese Entwicklung verdeutlichte die strategische Bedeutung eigener Ölreserven, die sich zunehmend zu einer Angelegenheit der nationalen Sicherheit entwickelten.

Im Gegensatz zu den USA oder Großbritannien, die direkten Zugang zu Ölquellen hatten, verfügte das Deutsche Kaiserreich weder im Inland noch im Ausland über nennenswerte eigene Ölvorkommen. Das Land war daher stark von Ölimporten abhängig, die zu dieser Zeit hauptsächlich aus der wesentlichen Hemisphäre stammten, was Deutschland wirtschaftlich und geopolitisch verwundbar machte.

2. Die Russische Revolution und der Zusammenbruch der Ölförderung in Baku

Im Jahr 1905 verschärfte sich diese Zwangslage, als die politischen Unruhen während der Russischen Revolution von 1905 bis 1907 weitreichende Auswirkungen auf die Ölproduktion in Baku am Kaspischen Meer hatten. Die Nobel-Brüder und die von Alphonse de Rothschild gegründete Caspian and Black Sea Oil Company (BNITO) hatten Baku zum Ende des 19. Jahrhunderts zu einem der weltweit führenden Zentren der Ölförderung ausgebaut. Die Region spielte eine entscheidende Rolle in der Ölversorgung Europas.

Während der Russischen Revolution 1905 bis 1907 kam es zu massiven Angriffen auf die Ölindustrie, insbesondere von Tartaren und anderen ethnischen Gruppen vorgetragen. Während dieser Phase wurde ein großer Teil der Infrastruktur und der industriellen Ölförderanlagen massiv beschädigt oder vollständig vernichtet. Die Zerstörung war so gewaltig, dass die Ölförderkapazitäten in Baku dramatisch einbrachen, was zu einer signifikanten Verringerung der globalen Ölversorgung führte.

Für das Deutsche Kaiserreich und andere aufstrebende Industrienationen in Europa war diese Entwicklung besonders problematisch, weil die Nachfrage nach Öl unaufhaltsam zugenommen hatte und Standard Oil nicht in der Lage war, den Wegfall mit Öl aus den USA und Mexiko zu decken. Die Krise in Baku zwang das Deutsche Reich dazu, seine Energiepolitik grundlegend zu überdenken. Die Suche nach alternativen Ölquellen in Osteuropa und im Nahen Osten hatte nunmehr oberste Priorität.

Vor diesem Hintergrund war es für Kaiser Wilhelm II. und die politische Führung des Deutschen Kaiserreichs von essenzieller Bedeutung, neue Ölquellen in Osteuropa und im Nahen Osten zu erschließen, wo sie das größte Potenzial vermuteten. Es begannen zahlreiche diplomatische Initiativen, die darauf abzielten, Länder mit potenziellen Ölvorkommen als deutsche Einflusssphären zu sichern und die Kontrolle über deren Ölquellen zu erlangen.

3. Beginn der Verhandlungen zwischen D’Arcy und dem Schah von Persien

Die Ereigniskette, die zum Eintritt Persiens in das große Spiel ums Öl führte, begann mit Antoine Ketābči Khan, dem persischen Generalkommissar auf der Pariser Ausstellung von 1900. Ketābči Khan hatte mehrere Posten in der persischen Regierung inne, darunter die Leitung des Zolldienstes. Obwohl der offizielle Grund für Ketābčis Besuch die Eröffnung der Pariser Ausstellung war, lautete seine Aufgabe, in Europa einen Investor zu finden, der bereit war, die Suche nach Öl in Persien zu finanzieren.

In Paris suchte Ketābči die Unterstützung von Sir Henry Drummond Wolff, ehemals britischer Minister in Teheran (1887-1890), der ihm William Knox D’Arcy empfahl, einen britischen Unternehmer, der in Australien ein riesiges Vermögen mit Goldminen angehäuft hatte. Zu dieser Zeit rivalisierten Großbritannien und das zaritische Russland, ihren Einfluss in Persien zu stärken. Russland dominierte vor allem im Norden des Landes, sehr darauf bedacht, den Einfluss zu erweitern und andere Großmächte auszuschließen.

Für den britischen Minister in Persien, Sir Arthur Henry Hardinge, war es dagegen das wichtigste Ziel der britischen Politik, in Persien Einfluss zu gewinnen. Hierbei könnte eine Konzession helfen, das Gleichgewicht gegenüber Russland zu wahren. Und so unterstützte Großbritannien das Vorhaben. Vor diesem Hintergrund trafen die Vertreter des millionenschweren Unternehmers D’Arcy im April 1901 in Teheran zu langwierigen Verhandlungen mit dem Schah ein.

4. Erteilung der D’Arcy-Konzession im Mai 1901

Da der verschwenderische Moẓaffar-al-Din Schah und seine Regierung dringend auf Bargeld angewiesen waren, gewährten sie D’Arcy am 28. Mai 1901 gegen eine Zahlung von 20.000 Britischen Pfund in bar und eine jährliche Lizenzgebühr von etwa 16% der jährlichen Nettogewinne. Sie beinhaltete das exklusive Recht zur Erkundung und Erdölförderung im gesamten Land. Ausgenommen blieben nur die fünf nördlichen Provinzen Aserbaidschan, Gilān, Mazandarān, Astarābād und Chorasan, die zum Einflussbereich Russlands gehörten.

Solche Konzessionen waren bis Anfang der 1970er-Jahre die rechtliche Grundlage für die Suche nach Öl und den Betrieb der Ölförderanlagen in den meisten Ländern mit Ölvorkommen. Sie lassen sich am besten als Vertrag zwischen der Regierung eines Landes und einem privaten Unternehmer oder einem Unternehmen beschreiben, der die exklusive Rechte in einem definierten Gebiet für einen begrenzten Zeitraum gewährt. Der Empfänger der Konzession trägt die Last der finanziellen und kommerziellen Risiken, erwirbt jedoch für einen fest definierten Betrag das Recht, Öl zu fördern und frei darüber zu verfügen.

Da D’Arcy weder über eine Organisation noch eine Firma verfügte, stellte er George Reynolds ein, einen Absolventen des Royal Indian Engineering College mit Bohrerfahrung in Sumatra, um das Erkundungs- und Bohrteam zusammenzustellen und zu leiten. Dieses begann umgehend mit der Suche nach Ölvorkommen in Chia Surkh im Westen des heutigen Irans. Nach den ersten Ölfunden gründete D’Arcy 1903 die First Exploitation Co. Ltd. (FEC), was allerdings etwas verfrüht war, da die Quelle nur wenig Öl lieferte.

4. D’Arcy und die Burmah Oil Company finden Öl

Die Suche nach Öl in Persien schritt voran, aber die horrenden Kosten zwangen D’Arcy dazu, finanzielle Unterstützung zu suchen, um die Konzession aufrechterhalten zu können. Im April 1904, weniger als drei Jahre nach dem Beginn der Erkundung, stand William Knox D’Arcy und seine First Exploitation Co. Ltd. (FEC) kurz vor dem Zusammenbruch.

Die britische Regierung war alarmiert, dass D’Arcy die Konzession an ausländische Investoren verkaufen könnte. Die Nobel-Brüder und das französische Bankhaus Rothschild hatten schon viel Geld in den Aufbau der Ölindustrie in Baku am Kaspischen Meer investiert und wären sicherlich an dem Ausbau ihres Ölbusiness interessiert gewesen. Um den britischen Einfluss in Persien zu sichern, veranlasste die Regierung die Burmah Oil Company, eine Partnerschaft mit D’Arcy zu schließen, die schließlich 1905 vertraglich besiegelt wurde.

Es folgte eine Verlagerung der Ölsuche nach Maidān-e-Naftān (Ebene des Öls), ein Gebiet im Südwesten Persiens. Der Bohrturm wurde in Masjed-e Soleymān aufgestellt. Kurz nach 4:00 Uhr morgens am 26. Mai 1908 ergoss sich ein Ölstrahl etwa fünfzig Fuß über die Spitze des Bohrturms hinaus. Dieser Ölfund im Südwesten des heutigen Irans war umso entscheidender, nachdem weder D’Arcy noch die britische Burmah Oil Company bereit waren, die erfolglose Suche nach Öl in Persien viel länger zu finanzieren.

4. Gründung der Anglo-Persian Oil Company

Nur ein knappes Jahr später, am 15. April 1909, folgte die Gründung der Anglo-Persian Oil Company (APOC), die in der Geschichte der Ölförderung im Mittleren Osten den Startschuss darstellte. Die Aktiengesellschaft (1935 unbenannt in Anglo-Iranian Oil Company) hatte ein Grundkapital von 1 Mio. Britischen Pfund und war eine nahezu 100%-Tochter der britischen Burmah Oil Company. William Knox D’Arcy wurde für seine bisherigen Ausgaben entschädigt, erhielt Aktien im Marktwert von 895.000 Britischen Pfund und wurde in den Vorstand berufen, dem er bis zu seinem Tod angehörte.

Die D’Arcy-Konzession wurde gegen eine unbekannte Ablösezahlung auf die APOC übertragen, sodass der Schah von Persien fortan nicht mehr an den Öleinnahmen der Gesellschaft beteiligt war, die das Ölgeschäft betrieb. Für den Standort der Raffinerie und der Verladestation wählte APOC die Stadt Abadan, eine lange, schmale Insel im erweiterten Mündungsgebiet der Flüsse Tigris, Euphrat und Kārun.

5. Britische Regierung übernimmt 51% der Aktien der Anglo-Persian Oil Company

Im Juni 1913 präsentierte Winston Churchill, in seiner Funktion als Erster Lord der Admiralität, dem Kabinett ein Memorandum über die „Ölkraftstoffversorgung für die Marine Seiner Majestät“. Er empfahl dem Kabinett darin, dass die Regierung „ein kontrollierendes Interesse an vertrauenswürdigen Ölquellen erwerben sollte. Die Regierung müsse daher die Aktienmehrheit der Anglo-Persian Oil Company selbst übernehmen“.

Am 17. Juni 1914 brachte Winston Churchill den historischen Gesetzesentwurf im Britischen Unterhaus vor. Zwei wichtige Punkte waren darin enthalten: Erstens würde die Regierung 2,2 Millionen Britische Pfund in die APOC investieren und im Gegenzug 51% der Aktien erwerben; zweitens würde sie zwei Direktoren in den Vorstand des Unternehmens entsenden, die bei wichtigen Angelegenheiten ein Vetorecht hätten. In einem geheimen Vertrag erhielt die Royal Navy eine zwanzigjährige Lieferzusage für Brennöl zu sehr attraktiven Konditionen. Das Unterhaus billigte den Gesetzentwurf und am 10. August 1914 erhielt die Anglo-Persian Oil Convention die königliche Zustimmung.

Quellen:

  1. Iran: Geschichte und Entwicklung der Ölverträge

Das große Spiel ums Öl: Anfänge der Ölförderung in Persien
Tagged on: