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Grundsätze zur Kapitalerhaltung in der GmbH

In diesem Artikel schauen wir uns die Grundsätze zur Kapitalerhaltung in der GmbH an, nachdem wir uns bereits mit den Grundsätzen zur Kapitalaufbringung und deren Bedeutung für die finanzielle Stabilität einer GmbH und den effektiven Gläubigerschutz beschäftigt haben. Während die Kapitalaufbringung die Bereitstellung der notwendigen Gesellschaftereinlagen im Rahmen der GmbH-Gründung und bei Kapitalerhöhungen betrifft, zielen die Grundsätze zur Kapitalerhaltung darauf ab, diese Kapitalbasis zu bewahren und vor einem unzulässigen Zugriff der Gesellschafter zu schützen.

Die Regelungen in den §§ 30 und 31 GmbHG bilden die wesentliche Basis für die Grundsätze zur Kapitalerhaltung, indem sie die Ausschüttungen an die Gesellschafter begrenzen und dadurch verhindern, dass diese aus dem Stammkapital der GmbH erfolgen. Wie die Grundsätze zur Kapitalaufbringung tragen auch die Grundsätze zur Kapitalerhaltung dazu bei, das Vertrauen in die GmbH als solide Rechtsform zu stärken.

Inhalt:

  1. Übersicht über die Grundsätze zur Kapitalerhaltung in der GmbH
  2. Verbot von Auszahlungen an Gesellschafter
  3. Verbot von Auszahlungen bei Unterbilanz bzw. Überschuldung
  4. Erweiterung des Auszahlungsverbots
  5. Rückzahlung von Nachschüssen unter besonderen Voraussetzungen
  6. Rechtsfolgen einer unzulässigen Auszahlung
  7. Ausfallhaftung der Gesellschafter
  8. Haftung der Geschäftsführer
  9. Verjährung der Erstattungs- und Haftungsansprüche

1. Übersicht über die Grundsätze zur Kapitalerhaltung in der GmbH

Die Grundsätze zur Kapitalerhaltung spielen eine wesentliche Rolle für die Akzeptanz der GmbH als solide Rechtsform im Wirtschaftsverkehr, die im wesentlichen in den §§ 30, 31 GmbHG geregelt sind. Ziel dieser Bestimmungen ist es, das Stammkapital der GmbH vor dem Entzug der Gesellschafter zu schützen und sicherzustellen, dass es in der gesetzlichen festgelegten Mindesthöhe erhalten bleibt. Dies dient dem Interesse der Gläubiger und der finanziellen Stabilität der GmbH.

Die grundlegende Norm ist § 30 Abs. 1 GmbHG, die besagt, dass die Auszahlung von Vermögen an die Gesellschafter verboten ist, soweit es zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist. Verbotene Zahlungen an Gesellschafter sind gem. § 31 Abs. 1 GmbHG von diesen wieder an die GmbH zurückzuzahlen. Ist ein Gesellschafter dazu finanziell nicht in der Lage, haften die übrigen Gesellschafter entsprechend ihres Anteils am Stammkapital, was als Ausfallhaftung bezeichnet wird (§ 31 Abs. 3 GmbHG).

Die Grundsätze zur Kapitalerhaltung sollen sicherstellen, dass das Vermögen der GmbH ausreicht, um die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu decken. Im Falle einer Unterbilanz bzw. Unterdeckung, bei der das Stammkapital nicht oder nicht vollständig durch das Nettovermögen der Gesellschaft gedeckt ist, sind Auszahlungen an Gesellschafter verboten. Gleiches gilt, wenn eine Unterbilanz bzw. Unterdeckung durch die Auszahlung erst entsteht. Allerdings ist hier zwischen Unterbilanz und bilanzieller Überschuldung zu unterschieden, wobei letztere dann vorliegt, wenn kein Überschuss der Aktiva über die Passiva mehr vorhanden ist.

Die Prüfung des Auszahlungsverbots erfolgt zum Zeitpunkt der Auszahlung. Die Geschäftsführer tragen die Verantwortung, die Buchführung der Gesellschaft stets aktuell zu halten und ihre Vermögenssituation zu überwachen. Sie müssen jederzeit in der Lage sein, eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Zwischenbilanz aufzustellen und zu prüfen.

2. Verbot von Auszahlungen an Gesellschafter

Die grundlegende Norm ist § 30 Abs. 1 GmbHG, die besagt, dass die Auszahlung von Vermögen an die Gesellschafter verboten ist, soweit dieses zur Erhaltung des Stammkapitals der GmbH erforderlich ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Regelung in § 30 Abs. 1 GmbHG nicht auf Auszahlungen an Gesellschafter im wörtlichen Sinne beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf andere Leistungen, denen keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht, insbesondere bei einem Forderungsverzicht oder einer Verrechnung mit einer wertlosen Forderung (BGH,Urteil vom 10.05.1993, II ZR 74/92).

Sogar die Gewährung eines Kredits an einen Gesellschafter kann eine verbotene Auszahlung sein, wenn die GmbH keinen vollwertigen Rückzahlungsanspruch erhält. Gleiches gilt unter Umständen auch für das Stellen einer Sicherheit durch die GmbH zur Absicherung des Kredits einer Bank an einen Gesellschafter.

Eine verbotene Auszahlung im Sinne von § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG zu Lasten des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens liegt mit der Bestellung einer dinglichen Sicherheit für einen Darlehensrückzahlungsanspruch eines Sicherungsnehmers gegen den Gesellschafter vor, wenn der Gesellschafter voraussichtlich nicht zur Rückzahlung in der Lage ist und zudem eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird.

BGH, Urteil vom 21.03.2017, II ZR 93/16

3. Verbot von Auszahlungen bei Unterbilanz bzw. Überschuldung

Im Falle einer Unterbilanz bzw. Unterdeckung, bei der das Stammkapital nicht oder nicht vollständig durch das Nettovermögen der Gesellschaft gedeckt ist, sind Auszahlungen an Gesellschafter verboten. Gleiches gilt, wenn eine Unterbilanz bzw. Unterdeckung durch die Auszahlung erst entsteht oder vertieft wird.

Auszahlungen an (ausgeschiedene) Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen, die sich nicht nach den Verkehrswerten bestimmt, sondern nach den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz; stille Reserven finden demnach keine Berücksichtigung.

BGH, Urteil vom 29.09.2008, II ZR 234/07; BGH, Urteil vom 5.04.2011, II ZR 263/08

Allerdings ist hier zwischen Unterbilanz und bilanzieller Überschuldung zu unterschieden. Eine Unterbilanz liegt vor, wenn das Nettovermögen der GmbH nicht ausreichend ist, um das Stammkapital zu decken. Das Nettovermögen einer GmbH entspricht der Summe aller Aktiva gemäß der Bilanz (§§ 246ff, 264 ff HGB) abzüglich sämtlicher Passiva einschließlich des Stammkapitals, der Rückstellungen und Verbindlichkeiten. Das Eigenkapital der GmbH kann zwar positiv sein, liegt aber unter dem Niveau des Stammkapitals. Eine Überschuldung liegt vor, wenn die Passiva des Unternehmens das Aktivvermögen übersteigen. In diesem Fall ist das Eigenkapital negativ, weil die Passiva das gesamte Vermögen übersteigen. In beiden Fällen haben die Geschäftsführer ein gesetzliches Auszahlungverbot zu beachten.

4. Erweiterung des Auszahlungverbots auf Zahlungen an Dritte

Nach § 30 Abs. 1 GmbHG sind grundsätzlich nur Auszahlungen an Gesellschafter verboten, wenn dadurch eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird. Allerdings ist auch bei einer Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen der GmbH an einen Dritten zu prüfen, ob mit dieser Leistung (wirtschaftlich) eine Auszahlung an den Gesellschafter erfolgt.

Das ist dann zu bejahen, wenn die Leistung an den Dritten eine Zuwendung an den Gesellschafter darstellt. Das ist der Fall, wenn die Zahlung für eine Schuld des Gesellschafters oder auf Veranlassung des Gesellschafters erfolgt und durch dessen Eigeninteresse motiviert war. In diesen Fällen haftet der begünstigte Gesellschafter gem. § 31 Abs. 1 GmbHG, wenn durch die Zahlung eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird.

BGH, Urteil vom 10.05.1993, II ZR 74/92.

Die (verbotene) Auszahlung ist auch dann dem Gesellschafter zuzurechnen, wenn der Dritte für ihn in verdeckter Stellvertretung also in eigenem Namen handelt und den Auszahlungsgegenstand sodann vertragsgemäß (§§ 675 Abs. 1, 667 BGB) an den Gesellschafter weitergibt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Gesellschafter den Dritten in Umgehungsabsicht eingeschaltet hat oder ob dieser eine wirtschaftlich begründete Interessenvertretung ausübt.

Darüber hinaus können auch Auszahlungen an eine Gesellschaft dem Gesellschafter der GmbH zuzurechnen sein, wenn dieser zugleich an der Empfänger-Gesellschaft beteiligt ist, beispielsweise im Falle einer Schwestergesellschaft.

Allerdings ist hier eine „maßgebliche“ Beteiligung erforderlich, kraft derer der Gesellschafter auf die Empfänger-Gesellschaft einen bestimmenden Einfluss ausüben kann. Ist (auch) die Empfängergesellschaft eine GmbH, so genügt es, wenn der Gesellschafter an dieser zu mehr als 50 % beteiligt ist, so dass er deren Geschäftsführung nach § 46 Nr. 6 GmbHG durch Mehrheitsbeschluss anweisen kann. „Maßgeblich“ ist auch eine geringere Beteiligung, wenn der Gesellschafter zugleich alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Empfänger-GmbH ist und einen Anweisungsbeschluss der übrigen Gesellschafter gegen sich nicht zu erwarten hat.

BGH, Urteil vom 13.11.1995, II ZR 113/94; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.10.2016, I-16 U 178/15

5. Rückzahlung von Nachschüssen

Der § 30 Abs. 2 GmbHG regelt die Zurückzahlung von Nachschüssen, die von den Gesellschaftern einer GmbH eingezahlt wurden. Im Einzelnen enthält die Bestimmung folgende Grundsätze:

  1. Die eingezahlten Nachschüsse können an die Gesellschafter zurückgezahlt werden, solange sie nicht zur Deckung des Stammkapitals benötigt werden.
  2. Die Rückzahlung der Nachschüsse darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluss nach § 12 GmbHG bekannt gemacht wurde.
  3. Die Rückzahlung von Nachschüssen ist gem. § 28 Abs. 2 GmbHG nicht erlaubt, bevor das Stammkapital voll eingezahlt wurde. Die Gesellschafter müssen also zunächst sicherstellen, dass das gesamte Stammkapital eingezahlt wurde, bevor sie Nachschüsse wieder zurückzahlen können.
  4. Zurückgezahlte Nachschüsse gelten als nicht eingezogen. Das heißt, sie zählen nicht mehr zum Kapital der Gesellschaft, das zur Deckung von Verlusten oder zur Finanzierung des Geschäftsbetriebs genutzt werden kann.

Nachschüsse der Gesellschafter dienen zwar der Eigenkapitalbildung bei der GmbH, unterliegen aber nicht den gleichen strengen Vorschriften wie die Stammeinlagen der Gesellschafter.

6. Rechtsfolgen einer unzulässigen Auszahlung

Auszahlungen an Gesellschafter, die gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßen, sind unzulässig und begründen ein Leistungsverweigerungsrecht der GmbH. Wird die Auszahlung trotz des Verbots durchgeführt, muss diese gem. § 31 Abs. 1 GmbHG an die Gesellschaft zurückerstattet werden.

Der Umfang der Rückzahlungsverpflichtung richtet sich nach § 31 Abs. 1 GmbHG. Hiernach ist der Rückzahlungsbetrag zu leisten, der zur Wiederherstellung des vollen Stammkapitals der GmbH notwendig ist, allerdings begrenzt auf den Betrag der unzulässigen Zahlung. Im Falle einer Zahlung während einer Überschuldung der GmbH kann der Rückzahlungsbetrag jedoch auch weit über das Stammkapital hinausgehen.

Gemäß § 31 Abs. 2 GmbHG ist ein „gutgläubiger“ Gesellschafter vor unverhältnismäßigen Rückzahlungsforderungen geschützt. In solchen Fällen ist die Rückzahlungspflicht auf den Betrag begrenzt, der zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. Das bedeutet, dass der gutgläubige Gesellschafter nur den Betrag zurückzahlen muss, der zur Erfüllung der Schulden der Gesellschaft notwendig ist. „Gutgläubig“ meint hier die Annahme des Gesellschafters, dass die Auszahlung rechtmäßig war, obwohl tatsächlich ein Auszahlungsverbot vorlag. Der Gesellschafter war sich also nicht bewusst, dass er eine unzulässige Leistung erhalten hat.

Gemäß § 31 Abs. 4 GmbHG kann der Erstattungsanspruch der GmbH nicht erlassen werden. Mit „erlassen“ ist in diesem Zusammenhang gemeint, dass die Rückzahlungsverpflichtung unabhängig von den Umständen oder der finanziellen Lage des betroffenen Gesellschafters nicht aufgehoben oder ausgesetzt werden kann. Dies bedeutet, dass der betroffene Gesellschafter immer zur Rückzahlung verpflichtet ist, auch wenn er bei Erhalt der Zahlung in gutem Glauben war. Diese Regelung dient dem Schutz der Gläubiger und hat zur Folge, dass der Rückzahlungsanspruch der GmbH nicht durch eine anderweitige Deckung des Stammkapitals aufgehoben wird.

Das Aufrechnungsverbot gem. § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG gilt entsprechend für den Rückzahlungsanspruch der GmbH, was bedeutet, dass der Gesellschafter nicht mit anderen Gegenansprüchen aufrechnen kann.

7. Ausfallhaftung der Gesellschafter

Die Regelung in § 31 Abs. 3 GmbHG behandelt die subsidiäre Ausfallhaftung der Gesellschafter. Hiernach haften die anderen Gesellschafter für die Rückzahlungsverpflichtung im Verhältnis ihrer Anteile am Stammkapital der GmbH, wenn der Erstattungsbetrag vom ursprünglichen Empfänger nicht zurückgezahlt wird. In § 31 Abs. 3 S. 2 GmbHG ist jedoch festgelegt, dass sich der Anteil der einzelnen Gesellschafter erhöhen kann, wenn einzelne Gesellschafter zur Erstattung ihrer Beiträge finanziell nicht in der Lage sind.

Die Ausfallhaftung ist auf den Betrag beschränkt, der zur Befriedigung der Gläubiger notwendig ist, und insgesamt auf den Betrag, der zur Wiederherstellung des vollen Stammkapitals erforderlich ist.

8. Haftung der Geschäftsführer

Im Falle verbotener Auszahlungen an die Gesellschafter haften gemäß § 43 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 GmbHG auch die Geschäftsführer der GmbH.

Der letzte Satz in § 43 Abs. 3 stellt klar, dass die Geschäftsführer gegenüber Gläubigern der GmbH auch dann haften, wenn sie auf Anweisung eines bindenden Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben, sofern der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. Mit anderen Worten, die Geschäftsführer können sich nicht auf den Beschluss der Gesellschafter berufen, um ihrer Haftung zu entgehen, wenn dadurch die Interessen der Gläubiger beeinträchtigt werden.

Zudem haften die Geschäftsführer gegenüber Gesellschaftern, die aufgrund ihrer Ausfallhaftung gemäß § 31 Abs. 3 GmbHG in Anspruch genommen wurden, sofern bei ihnen ein Verschulden vorliegt. Mehrere Geschäftsführer haften gem. § 31 Abs. 6 S. 1 GmbHG solidarisch.

Wenn Geschäftsführer es unterlassen, vor Ablauf der Verjährungsfrist Erstattungsansprüche gegen die Gesellschafter geltend zu machen, führt dies zu einer eigenen Haftung nach § 43 GmbHG, wodurch sie nahezu 5 Jahre länger haften als die Gesellschafter.

9. Verjährung der Erstattungs- und Haftungsansprüche

Die Ansprüche der Gesellschaft auf Rückerstattung von unzulässigen Zahlungen verjähren gemäß § 31 Abs. 5 GmbHG in 10 Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Tag, an welchem die Zahlung geleistet wurde. Bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein (§§ 31 Abs. 5 S. 3, 19 Abs. 6 S. 2 GmbHG).

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