Menü

Scheinselbständigkeit im Dreierverhältnis: UG, Geschäftsführer und GmbH

Das Bundessozialgericht (BSG) muss nun eine langjährige offene Frage zur Scheinselbständigkeit des Geschäftsführers einer UG haftungsbeschränkt im Verhältnis zu einer anderen GmbH als Auftraggeber beantworten. Insbesondere soll geklärt werden, ob die Position des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer UG haftungsbeschränkt eine Beschäftigung bei einer anderen GmbH ausschließt.

In diesem Artikel betrachten wir die Situation, in der die Betreiberin eines Krankenhauses in der Rechtsform einer GmbH regelmäßig auftretende Personalengpässe durch die Beauftragung externer Pflegefachkräfte kompensierte, darunter auch Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Personen-UG haftungsbeschränkt. Allerdings ist diese Gestaltung nicht auf den Gesundheitssektor beschränkt und findet auch in vielen anderen Branchen Anwendung, wie etwa in der Softwareentwicklung und IT-Beratung.

In diesem Zusammenhand stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Tätigkeit des Geschäftsführers der UG haftungsbeschränkt für die beauftragende GmbH als selbstständige Dienstleistung oder als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu beurteilen ist. Das BSG ist nun in Rahmen mehrerer Revisionsverfahren aufgerufen, diese Fragen zu beantworten.

Inhalt:

  1. Scheinselbständigkeit im Dreierverhältnis zwischen UG-Geschäftsführer und GmbH als Auftraggeber
  2. Feststellungsbescheid der DRV bejaht Scheinselbständigkeit
  3. SG Chemnitz verneint abhängige Beschäftigung bei GmbH
  4. Berufung und Begründung der DRV
  5. LSG Sachsen bestätigt Auffassung der DRV und bejaht Scheinselbständigkeit
  6. Zulassung der Revision beim Bundessozialgericht (BSG)

1. Scheinselbständigkeit im Dreierverhältnis zwischen UG-Geschäftsführer und GmbH als Auftraggeber

In seinem Urteil vom 15.11.2022 bejahte das LSG Sachsen (L 9 BA 38/19) die Scheinselbständigkeit in einem Dreierverhältnis. Dabei handelte es sich um den geschäftsführenden Alleingesellschafter einer UG haftungsbeschränkt, der höchstpersönlich Pflegeleistungen für die Patienten eines Krankenhauses erbracht, das in der Rechtsform einer GmbH betrieben wurde. Um wiederkehrende Personalengpässe zu kompensieren, engagierte die GmbH für bestimmte Einsatzzeiträume externe Pflegefachkräfte, die unter anderem bei ihrer eigenen UG haftungsbeschränkt angestellt waren.

In den Verträgen zwischen der Betreiberin des Krankenhauses (GmbH) und der UG haftungsbeschränkt (Auftragnehmer) vereinbarten die Parteien, dass die UG haftungsbeschränkt selbständige und verantwortungsvolle Pflegeleistungen für die Patienten im Krankenhaus erbringen sollte. Ferner wurde vereinbart, dass die Standards und Richtlinien des Krankenhauses einzuhalten sind. Die Vertragsparteien legten Wert darauf, dass das Pflegepersonal weisungsfrei arbeitet und das Recht hat, bestimmte Aufgaben ohne Begründung abzulehnen. Als Vergütung wurde ein Stundenhonorar sowie Zuschläge für Wochenenden, Nachtdienste und Feiertage festgelegt. Für die Bereitstellung der notwendigen Arbeitsmaterialien war grundsätzlich die UG haftungsbeschränkt als Auftragnehmerin zuständig, obwohl das Krankenhaus diese auch kostenlos zur Verfügung stellen konnte. Im Falle von Krankheit oder anderen persönlichen Verhinderungen des Pflegepersonals, konnte die Auftragnehmerin den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, sofern sie nicht in der Lage war, qualifiziertes Ersatzpersonal bereitzustellen.

Der Geschäftsführeranstellungsvertrag zwischen dem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer (Kläger) und seiner UG haftungsbeschränkt enthielt unter anderem folgende Regelungen:

§ 4 Arbeitszeit/Nebentätigkeit

1. Der Geschäftsführer wird der Gesellschaft seine Arbeitskraft in angemessenen Umfang zur Verfügung stellen.

2. Der Geschäftsführer ist berechtigt, eine entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit außerhalb der Gesellschaft fortzuführen bzw. zu übernehmen, sofern deren Ausübung nicht gegen die Interessen der Gesellschaft verstößt.

§ 6 Bezüge

1. Der Geschäftsführer erhält ein monatliches Bruttogehalt von 500,00 €. Die Vergütung ist jeweils am 25. Kalendertag des Monats fällig.

2. Der Geschäftsführer erhält eine Tantieme in Höhe von 15 % des Jahresgewinns, welcher nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung festgesetzt und anschließend in einer Summe ausgezahlt wird.

3. Der Geschäftsführer erhält ein jährliches Urlaubsgeld von 500,00 €, welches im Monat November eines Jahres zu zahlen ist.

4. Die Gesellschaft kann ferner für die Dauer dieses Vertrages dem Geschäftsführer einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe des Arbeitgeberanteils gewähren, wie er bei Krankenversicherungspflicht bestünde; höchstens jedoch in Höhe der Hälfte des Betrages, welchen der Geschäftsführer für seine Krankenversicherung aufzuwenden hat.

§ 7 Bezüge bei Krankheit und Tod

1. Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers, die durch Krankheit oder aus einem anderen von ihm nicht zu vertretenden Grund eintritt, wird die Vergütung gemäß § 6 für die Dauer von 42 Kalendertagen fortgezahlt.

§ 8 Sonstige Leistungen

1. Trägt der Geschäftsführer im Rahmen seiner ordnungsgemäßen Geschäftsführertätigkeit Kosten und Aufwendungen, so werden sie ihm von der Gesellschaft erstattet, sofern der Geschäftsführer die Geschäftsführungs- und Betriebsbedingtheit belegt oder sie offenkundig ist.

§ 9 Versicherungen

Die Gesellschaft wird für den Geschäftsführer in berufsüblicher Form eine Unfall- und eine Haftpflichtversicherung abschließen. Die Kosten dafür trägt die Gesellschaft.

§ 10 Urlaub

1. Der Geschäftsführer hat Anspruch auf 30 Arbeitstage (Samstag ist kein Arbeitstag) bezahlten Urlaub im Geschäftsjahr.

Im Rahmen eines beantragten Statusfeststellungsverfahrens der Krankenhausbetreiberin legte diese die typische Stellenbeschreibung für eine „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ und die Dienstleistungsverträge mit den externen Pflegekräften vor und ergänzte die folgenden Details der Kooperation:

Die Dienstpläne würden mit einer Vorlaufzeit von zwei Monaten erstellt. Die Schichtzeiten stünden fest. Der Kläger habe die Einsatzzeiten mit kürzerer Vorlaufzeit zum Teil wenige Tage vorher und unabhängig von Dienstplan erhalten. Änderungen am Dienstplan kämen bei ungeplanten Ausfällen vor. Die Patientenversorgung sei in jedem Fall durch den Dienstplan sichergestellt. Den Behandlungsplan erstellten die Ärzte für die ärztlichen Behandlungen und die Pflege für die Pflegeplanung. Diese Vorgaben seien dann verbindlich, die durch die Abteilungsleitung Pflege kontrolliert werde. Einmal monatlich fänden regelmäßig Dienst- oder Teambesprechungen statt. Die Teilnahme sei verpflichtend. Der Kläger habe mit anderen Pflegern und -pflegerinnen im Krankenhaus zusammengearbeitet. Fest angestellte Mitarbeiter und externe Honorarkräfte seien vergleichbar tätig geworden und austauschbar. Nur das Honorar der Honorarkräfte sei deutlich höher als der Verdienst der Angestellten. Die Festangestellten erhielten nicht mehr Weisungen als die Honorarkraft. Unterschiede bestünden in der Tätigkeit insoweit, als die Angestellten besser eingearbeitet und demzufolge routinierter seien als die Honorarkraft. Auf dem Namensschild sei erkennbar, dass es sich um eine Honorarkraft gehandelt habe. Der Kläger habe eigene Kleidung mitgebracht. Gegenüber dem Patienten hafte der Kläger selbst und sei laut Dienstleistungsvertrag auch dagegen versichert.

2. Feststellungsbescheid der DRV bejaht Scheinselbständigkeit

Die Deutsche Rentenversicherung stellte im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens per Bescheid vom 18.01.2019 fest, dass der geschäftsführende Gesellschafter der UG haftungsbeschränkt seine Tätigkeit als Pfleger bei der Krankenhausbetreiberin (GmbH) jeweils im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübte. Im Rahmen dieser Beschäftigungsverhältnisse bestand Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass er ausschließlich persönlich als Pfleger tätig geworden sei und eine Vergütung auf Stundenbasis sowie freie Logis im Krankenhaus vereinbart wurde.

Die Dienste wurden aufgrund von Personalengpässen beim fest angestellten Personal im Schichtsystem übernommen, wobei die gleiche Funktion ausgeübt wurde. Arbeitszeit und -ort seien festgelegt gewesen. Der Kläger sei in die Betriebsabläufe im Krankenhaus eingegliedert gewesen und habe fremdbestimmt mit den fest angestellten Stationsmitarbeitern zusammengearbeitet. Die Abteilungsleitung Pflege habe ihm die Aufgaben angewiesen und ihn kontrolliert. Die Tätigkeit habe den Pflegestandards des Auftraggebers sowie den gesetzlichen Vorgaben und Handlungsempfehlungen unterlegen.

Unternehmerische Chancen und Risiken bestehen bei dieser Art der Kooperation regelmäßig nicht, insbesondere bei Bezahlung einer festen erfolgsunabhängigen Stundenvergütung, welche kein Gewinnchancen oder Verlustrisiko erkennen lässt. Dies gilt erst recht, wenn für die Ausübung der Tätigkeit kein eigenes Kapital in nennenswertem Umfang eingesetzt werden muss und die am Betriebssitz zur Verfügung stehenden Arbeitsmittel genutzt werden. In diesen Fällen spielt es für die DRV regelmäßig keine Rolle, wenn auch Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit zu bejahen sind.

3. SG Chemnitz verneint abhängige Beschäftigung bei GmbH

Nachdem das Sozialgericht Chemnitz den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung aufgehoben und eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des geschäftsführenden UG-Gesellschafters im Rahmen seiner Tätigkeit als Pfleger bei der GmbH verneint hatte, legte die Deutsche Rentenversicherung gegen dieses Urteil Berufung ein.

Das SG Chemnitz begründete die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem geschäftsführenden Alleingesellschafter und der Krankenhausbetreiberin (GmbH) nicht vorliege, weil Auftragnehmerin eine juristische Person in der Rechtsform der UG haftungsbeschränkt sei.

4. Berufung und Begründung der DRV

Die Berufung gegen das Urteil des SG Chemnitz begründete die Deutsche Rentenversicherung wie folgt:

1. Der Kläger sei als Pflegekraft weisungsgebunden und in den hierarchisch organisierten Betriebsablauf der Auftraggeberin fremdbestimmt eingegliedert gewesen. Tatsächlich habe der Kläger die Tätigkeit höchstpersönlich erbracht. Ein Unterschied zu fest angestellten Mitarbeitern habe nicht bestanden (vgl. Urteile des BSG vom 07.06.2019, B 12 R 6/18 R; B 12 R 7/18 R und B 12 KR 8/18 R).

2. Die Rechtsprechung habe bereits in Fällen der Bestellung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft entschieden, dass ein an sich zulässiges Rechtsgeschäft rechtsmissbräuchlich sei, wenn es allein der Umgehung der Sozialversicherungspflicht diene. Die Versicherungspflicht von Vorstandsmitgliedern einer AG sei daher bejaht worden, obwohl die Rentenversicherungspflicht durch § 1 Satz 4 SGB IV (seit 01.07.2011 § 1 Satz 3 SGB VI) gesetzlich ausgeschlossen sei (mit Hinweis auf die Urteile des LSG-Baden-Württemberg vom 13.11.2008, L 11 KR 3295/08, LSG Nordrhein-Westfalen vom 04.06.2009, L 5 KR 83/06; und vom 16.04.2015, L 5 KR 697/11).

3. Ferner habe das BSG im Urteil vom 24.11.2005 (B 12 RA 1/04 R) festgestellt, dass nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung in bestimmten Fallkonstellationen eine Berufung auf die Selbständigkeit der juristischen Person mit Treu und Glauben unvereinbar sei, insbesondere wenn diese Rechtsfigur missbraucht oder dem Zwecke der Rechtsordnung zuwider verwendet werde. Vielmehr stütze sie sich auf die Argumentation des SG Oldenburg (Urteil vom 31.10.2012, S 81 R 580/11), wonach einer massenhaften Umgehung der Sozialversicherungssysteme durch Arbeitnehmer aller Branchen Tür und Tor geöffnet werde, wenn allein durch den formalen Akt der Gründung einer UG haftungsbeschränkt, unabhängig von der konkreten Art der Tätigkeit, eine Selbständigkeit erreicht werden könne.

4. Maßgeblich sei nicht allein die vertragliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit, sondern – sofern diese abweiche – die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit. Wenn diese sich – wie hier – tatsächlich als abhängige Beschäftigung darstelle, sei die Gründung einer UG haftungsbeschränkt lediglich als Umgehungsversuch anzusehen, um sozialversicherungsfrei zu werden. So lasse sich eine Scheinselbständigkeit nicht vermeiden.

In dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 27.06.2017 (L 11 R 3853/16) zugrundeliegenden Fall sei die UG haftungsbeschränkt wirklich am Markt wirtschaftlich tätig geworden, was hier nicht der Fall sei.

Wie ich das in meinen unzähligen Beratungsgesprächen zur Vermeidung einer Scheinselbständigkeit immer wieder ausgeführt habe, konzentriert sich die Deutsche Rentenversicherung allein auf die vertragliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit. Wenn sich diese nach der praktischen Ausgestaltung als abhängige Beschäftigung darstelle, sei die Gründung einer GmbH oder einer UG haftungsbeschränkt lediglich als Umgehungsversuch anzusehen, um sozialversicherungsfrei zu werden. Sie wird ausgeblendet, weil sie nach Ansicht der Deutschen Rentenversicherung eine Scheinselbständigkeit nur verdeckt.

5. LSG Sachsen bestätigt Auffassung der DRV und bejaht Scheinselbständigkeit

Das LSG Sachsen gab der Berufung der Deutschen Rentenversicherung gegen das Urteil des SG Chemnitz statt. Der Feststellungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 18.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger war in seiner Tätigkeit als Pflegefachkraft im Krankenhaus der Beigeladenen (GmbH) abhängig beschäftigt und unterlag der Pflicht zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

1. In der Zwischenschaltung einer UG haftungsbeschränkt liegt kein Scheingeschäft i.S.v. § 117 Abs. 1 BGB, durch das ein Beschäftigungsverhältnis verdeckt werden sollte (§ 117 Abs. 2 BGB).

2. Soweit die Vertragsparteien (die UG haftungsbeschränkt und die GmbH) für die Tätigkeit des Klägers als stationäre Pflegefachkraft jeweils Dienstleistungsverträge für eine selbstständige Tätigkeit abgeschlossen haben, steht diesen formellen Vereinbarungen und dem Parteiwillen die davon divergierende gelebte und praktizierte Zusammenarbeit der an der Auftragsbeziehung tatsächlich Beteiligten (GmbH und Kläger) entgegen, welche grundsätzlich vorgeht (vgl. BSG, Urteil vom 7.06.2019, B 12 R 6/18 R).

3. Der Kläger unterlag im Rahmen der vereinbarungsgemäßen Erfüllung seiner Tätigkeit (Pflegedienst) einem im Sinne der funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinerten Weisungsrecht der GmbH nach Ort, Zeit, Dauer und Inhalt der Arbeitsleistung und war in einer seine Tätigkeit prägenden Weise in den Betriebsablauf der Beigeladenen zu 1 eingegliedert. Die in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV genannten Anhaltspunkte der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2021, B 12 R 10/20 R).

4. Demgegenüber sind keine für die Selbständigkeit sprechenden Anhaltspunkte festzustellen, die ein derartiges Gewicht hätten, dass sie die Weisungsgebundenheit und Eingliederung des Klägers hätten auf- oder überwiegen können. Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R).

5. Der Kläger trug kein nennenswertes Unternehmerrisiko. Da er zugleich Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der UG war, konnte er frei über deren Umsätze bestimmen. Bezüglich des Einsatzes seiner Arbeitskraft erhielt er einen festen Lohn für geleistete Stunden, sodass er zu keinem Zeitpunkt das Risiko trug, für seine Arbeit bzw. die Bereitschaft hierzu nicht entlohnt zu werden. Für ihn bestand auch nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick seine Arbeit so effizient zu gestalten, dass er das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu seinen Gunsten hätte entscheidend beeinflussen können. Im Kern erhielt er für seine Arbeit risikolos ein fest definiertes Honorar. Da es lediglich auf eine Betrachtung der konkreten Tätigkeit ankommt, ist das einzig in Betracht kommende Risiko des Klägers, von dem Krankenhaus keine weiteren Folgeaufträge zu bekommen. Dieses Risiko ist für die Frage seines Status in der konkreten Tätigkeit jedoch irrelevant.

6. Die Vergütung des Klägers über die (eigene) UG haftungsbeschränkt lässt die Arbeitgebereigenschaft der GmbH jedenfalls nicht entfallen (Eingliederungstheorie: BSG, Urteil vom 18.03.1987, 9b RU 16/85).

7. Es spielt auch keine entscheidende Rolle, dass der Kläger durch Arbeitskleidung und Namensschild als freiberufliche Pflegekraft auftrat und sich auch so vorstellte. Die Wahrnehmung der Tätigkeit durch Dritte ist für die rechtliche Bewertung der Eingliederung ohne Belang (vgl. BSG, Urteil vom 7.06.2019, B 12 R 6/18 R).

8. Die Tatsache, dass die UG haftungsbeschränkt nacheinander mehrere Auftraggeber hatte und der Kläger in diesen Rechtsbeziehungen ebenfalls als Pflegefachkraft tätig war, führt nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Maßgeblich ist allein die Bewertung der jeweiligen Tätigkeit, die Gegenstand des Rechtsstreits ist. Ob der Kläger also möglicherweise anderweitige selbständige Tätigkeiten verrichtet hat, ist nicht entscheidungserheblich. Die Ausübung mehrerer Beschäftigungen nacheinander oder nebeneinander oder auch eine selbständige Tätigkeit neben einer abhängigen Beschäftigung ist durchaus üblich (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.03.2022, L 1 BA 54/18).

9. Dieser sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung steht nicht entgegen, dass ein Dienstleistungsvertrag zwischen zwei juristischen Personen des Privatrechts abgeschlossen wurde. Zwar besteht verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich eine grundsätzliche Verpflichtung, die vom bürgerlichen Recht gewährleistete und ausgestaltete, eigenständige Existenz und Handlungsfähigkeit juristischer Personen rechtlich zugrunde zu legen. So besteht im Verhältnis zwischen dem Kläger und (seiner) UG haftungsbeschränkt kein Beschäftigungsverhältnis, da der Kläger als Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter eine die Weisungsgebundenheit ausschließende Rechtsmacht hat und demgemäß als Selbstständiger anzusehen ist.

10. Allerdings beendete der Kläger seine Organstellung als Geschäftsführer der UG haftungsbeschränkt, als er sich selbst als Pflegefachkraft der Betreiberin des Krankenhauses (GmbH) überlassen hatte und auf deren Station arbeitete. Mit Beschäftigungsantritt ordnete sich der Kläger faktisch vollständig dem Weisungsrecht der gesamtverantwortlichen GmbH unter und gliederte sich in deren fremdbestimmten organisatorischen Rahmen und deren Arbeitsabläufe ein.

11. Die UG haftungsbeschränkt hatte auch nicht von der vertraglich eingeräumten Möglichkeit der Delegation der Leistungserbringung an andere (eigene) Arbeitskräfte realistischerweise Gebrauch machen können, weil sie keine eigenen beschäftigten Pflegefachkräfte hatte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19.10.2021, B 12 R 17/19 R, <ambulante Pflegekraft>).

12. Anders als beim Urteil des BAG vom 17.01.2017 (9 AZR 76/16) handelt es sich vorliegend um eine UG haftungsbeschränkt mit einem Solo-Selbständigen, deren unternehmerische Tätigkeit sich in der Überlassung dessen eigener Arbeitskraft ohne Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 AÜG an eine Dritte erschöpfte.

13. Die Beschäftigung einer Arbeitnehmerin auf geringfügiger Basis war nicht geeignet, eine umfassende unternehmerische Tätigkeit der UG haftungsbeschränkt zu begründen (Rechtsgedanke aus § 5 Abs. 5 Satz 2 SGB V). Sie war vielmehr von der unmittelbaren Nutzung der Arbeitskraft des Klägers ausgeschlossen. Sie hat nur mittelbar über die Dienstleistungsvergütung am wirtschaftlichen Wert der (überlassenen) Arbeitsleistung partizipiert.

14. Die Tätigkeit des Klägers als (stationäre) Pflegefachkraft im Krankenhaus ist durch die Eingliederung in fremdbestimmte Betriebsabläufe gekennzeichnet, sodass ein (faktisches) Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen ist (vgl. BSG, Urteil vom 7.06.2019, B 12 R 6/18 R). Ein Beschäftigungsverhältnis nach § 7 SGB IV kann auch dann vorliegen, wenn kein Arbeitsverhältnis besteht.

Ergänzend verweist das LSG Sachsen unter anderem darauf, dass die Sozialversicherung neben der sozialen Absicherung des Einzelnen auch dem Schutz der Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme dient, die in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen sind.

6. Zulassung der Revision beim Bundessozialgericht (BSG)

Das LSG Sachsen hat die Revision gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Ob ein Dienstleistungsvertrag mit einer Ein-Personen-UG (haftungsbeschränkt) ein Beschäftigungsverhältnis des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers der Ein-Personen-UG (haftungsbeschränkt) mit einer GmbH ausschließt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.

LSG Sachsen, Urteil vom 15.11.2022, L 9 BA 38/19

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat für einen zwischen einer Ein-Personen-GmbH und einer GmbH bestehenden Dienstleistungsvertrag (Unternehmensberatung) die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers der Ein-Personen-GmbH bejaht (Urteil vom 18. März 2022, L 1 BA 54/18; Revisionsverfahren anhängig unter dem Az. B 12 BA 14/22 R).

Das Hessische LSG hat für einen zwischen einer Ein-Personen-GmbH und einer Krankenhausgesellschaft bestehenden Dienstleistungsvertrag die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers der Ein-Personen-GmbH mit der Krankenhausgesellschaft mit Blick auf die jeweils eigenständige Rechtssubjektivität von natürlicher und juristischer Person verneint (LSG Hessen, Urteil vom 18.11.2021, L 1 BA 25/21; Revisionsverfahren anhängig unter dem Az. B 12 R 15/21 R).

Das LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 05.11.2021, L 26 BA 6/20) hat ein Beschäftigungsverhältnis zwischen der alleinigen Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer Ein-Personen-UG (haftungsbeschränkt) und einer GmbH bei bestehendem Dienstleistungsvertrag zwischen der Ein-Personen-UG (haftungsbeschränkt) und der GmbH (Krankenhausträgerin) ebenso verneint.

Ähnlich sieht es auch das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.06.2017, L 11 R 3853/16).

Scheinselbständigkeit im Dreierverhältnis: UG, Geschäftsführer und GmbH